Von Hunden und Bären

Wir kommen nicht weg aus Georgien. Zu nett ist es mit den Leuten hier, zu viele Möglichkeiten ergeben sich und manchmal ist es auch das georgische Verständnis von Zeit, welches unseren Plänen gegenüber steht, sie betrachtet und dann gnadenlos über den Haufen wirft.

So ist zum Beispiel aus dem vorgesehenen 2-Tages-Trip zu Matso und Natia eine elftägige Reise durch den mittleren Westen Georgiens geworden. Doch dazu gleich mehr.

Mit unseren Gastgebern Giorgi und Linda (oben Mitte und rechts) und Jan und Franni.

Als wir vor 2 Wochen Giorgi, Linda, Noah, Paada, Thea und dem Bauarbeiter Dato, der ebenfalls fast immer vor Ort war, Lebewohl sagen, fällt uns der Abschied schwer. Dreieinhalb Wochen waren wir in Mlashe und seine Bewohner sind uns sehr ans Herz gewachsen. Die letzten Tage warten wir auf Nachricht von Matso und sitzen auf leicht glühenden Kohlen, aber dessen Ankunft in seinem Sommerhaus in Ratcha verzögert sich.
Immerhin entgeht uns somit nicht das Konzert von Giorgis Lieblingsband. „33a“ machen georgischen Folk mit Reggae-Einflüssen und ihr Sänger Niaz Diasamidze ist eine Ikone im Land. Wir überlassen die Hunde von Jan und Franni sowie Giorgis und Lindas Sohn Noah Babysitterin Thea und machen einen herrlichen letzten gemeinsamen Ausflug nach Tiflis. Nach einem energiegeladenen Auftritt über den Dächern der Stadt fahren wir beseelt zurück und lassen einen schönen Abschluss nachwirken.

Henriette in Erwartung.
The one and only Niaz Diasamidze.

Weiter soll es gehen. Ratcha wird von seinen Bewohnern (natürlich) als die schönste Region Georgiens angepriesen und wir sind gespannt auf die frischeste Luft, das klarste Wasser und die ältesten Wälder (kleiner Fun-Fact: 90% aller europäischen Weihnachtsbäume entstammen Samen von Zapfen aus Ratcha).
Jan und Franni haben das gleiche Ziel und sind so nett, ihr halbes Auto auszuräumen und ein Zwischenlager in Giorgis Garage einzurichten, damit wir mitfahren können. Die nächsten Tage ist Luxus-Reisen für uns angesagt. Wir sind nicht aufs Trampen angewiesen und müssen uns noch nicht einmal um einen Platz zum Zelten kümmern, weil die beiden schon seit 2 Monaten im Lande sind und zielgerichtet die herrlichsten Stellen anfahren. Wir besuchen eine alte Felsensiedlung in der Nähe von Stalins Geburtstagsstadt Gori und treffen am Shaori-Stausee zwei russische Pärchen, mit denen wir einen lustigen Abend am Lagerfeuer verbringen. An Henriettes Geburtstag campen wir in unmittelbarer Nähe einer heißen Schwefelquelle, an der wir uns nur der zahlreichen ausgemergelten Streunerhunde beim Frühstück erwehren müssen. Einen Kuchen können wir weder auftreiben noch backen und so machen wir es uns am Ufer eines nahe gelegenen Flusses gemütlich und spielen Karten. Am Abend sind wir die einzigen Gäste in einem rustikalen kleinen Hotelrestaurant und stoßen auf das Geburtstagskind an.

Cave City Bewohner.
Das Feuer am Shaori-Reservoir war sehr widerspenstig.

Aber wir warten immernoch auf Nachricht von Matso und seiner Familie. Aus einem morgen wird ein übermorgen und so weiter. Aber noch wollen wir nicht aufgeben. Nur eine Dusche wäre mal wieder schön und so steuern wir das Guesthouse von Matsos Freunden Vako und Tamara an, welches schon in Ratcha liegt. Als wir am Abend Vako nach einer schönen Wanderroute für den nächsten Tag fragen, bietet er uns kurzerhand an, mitzukommen. Wir wandern hinauf zu den Nine Crosses, einem Wallfahrtsort über den Wolken und sind schwer beeindruckt. Schon total kaputt, zeigt Vako uns im Anschluss noch eine riesige Höhle und einen idyllisch gelegenen Wasserfall. Das hat sich mal gelohnt!
Wir haben Lust, etwas zurückzugeben und machen mit Vako einen Deal. Wir helfen ihm bei anstehenden Arbeiten auf dem Gelände und dürfen dafür umsonst neben dem Hostel zelten. In den nächsten Tagen harken wir Heu, hacken Schnittreste und bekochen uns am Abend gegenseitig. Zwischendurch bringen wir Jan und Franni das Skatspielen bei und gewinnen begeisterte Mitspieler, die von nun an jede Gelegenheit wahrnehmen, um uns die Trümpfe aus der Tasche zu ziehen.

Das Schwein, Henriette und die Tür.
Auf dem Gipfel der Nine Crosses.
Auf dem Weg zurück. Lotti hatte sich bei den heißen Schwefelquellen die Beine verbrannt und hat den Runtertrage-Service bestellt.

Und dann endlich bekommen wir das Go. Matso und Co kommen zwar erst in der Nacht an, aber wir können schonmal vor dem Haus unser Zelt aufbauen. Wenig später kommt ein Freund Matsos vorbei, schließt Wasser und Strom an und erzählt uns von der am nächsten Morgen anstehenden Jagd auf einen den örtlichen Bauern unbequemen Bären.
Den kriegen wir in den nächsten Tagen zwar nicht zu Gesicht, dafür eine Menge Kühe und Bäume. Während die Vormittage verlümmelt werden, machen wir nachmittags ausgedehnte Spaziergänge durch die wahrlich herrlichen Wälder, zu Höhlen und unterirdischen Seen oder fahren mit den Mountainbikes Matsos nach „Kanada“. Unsere Gastgeber wollen hier für 3 Monate der Großstadt entfliehen und auch wir lassen die Seele baumeln…

Ratcha Eindrücke…
„Kanada“!

Es ist wunderschön, von den Leuten hier so unvoreingenommen und herzlich aufgenommen zu werden. Wir dürfen zu Gast sein und es uns ein wenig bequemer machen, als wir es sonst haben. Aber nach gut anderthalb Monaten treibt es uns weiter, die Welt ist noch so groß!
Und so verabschieden wir uns vor 2 Tagen von diesem Ort, der alle Versprechen, die uns seine Bewohner gaben, einhielt. Wir verabschieden uns auch von Natia und Matso, ihrer kleinen Tochter Lile, und Jimi, Anka und Töchterchen Tuta, einer zweiten befreundeten Familie, die uns ebenfalls die Zeit dort versüßt hat. Und von Jan und Franni nebst ihren Hunden Piet und Lotti (was auf Georgisch im Übrigen „Alkoholiker“ bedeutet), die noch ein wenig bleiben wollen. Mit den vier Knallerbsen waren wir nun über einen Monat zusammen unterwegs. Zum ersten Mal seit Beginn der Reise waren wir länger als nur ein paar Tage mit uns vorher unbekannten Menschen zusammen. Wir lernen von den beiden Reiseerprobten leckere On-the-road-Rezepte, wie man ein Zelt flickt und dass ein Joghurt-Kurkuma-Gemisch gegen Dornenwarzen hilft. Auch die Hunde akzeptierten uns schnell als Teil der Crew. Piet ist am Ende sogar uns zweien gefolgt, wenn wir zu einer Erkundungstour aufbrachen und ihm langweilig war. Mal sehen, vielleicht sieht man sich schneller wieder, als man denkt…

Das und noch mehr wird bleiben von unserer Zeit hier und die wohlige Erkenntnis, dass wir Georgien noch lange nicht vollständig, aber doch so gut wie kein anderes Land unserer bisherigen Route kennengelernt haben.

Jetzt sind wir noch einen Tag lang in Tiflis, kaufen Zahnpasta und ein neues Schneidebrett, während wir auf Rückmeldung der iranischen Botschaft warten. Doch zunächst will sowieso erstmal Azerbaidschan entdeckt werden!

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