Auf dem Rücken kirgisischer Pferde durch die Höhen und Tiefen der Berge

Die Grenze in Izboskan (Uzbekistan) ist wohl die entspannteste auf unser bisherigen Reise. Nur drei Schritte vom usbekischen Ausreisestempel entfernt wartet auch schon Kirgisistan auf uns.
Unsere erste Mitfahrgelegenheit von hier nach Bischkek gibt uns bereits einen feinen Vorgeschmack hinsichtlich der Schönheit hiesiger Natur. Während unserer 9-stündigen Autofahrt schrauben wir uns auf der einzigen Straße vom kirgisischen Osten in die Hauptstadt auf den Serpentinen des Landes wie ein Korkenzieher hinauf und hinab. Das Unterhaltungsprogramm aus dem Fenster ist wie ein spannender Roadmovie. Von weißen Gipfeln und mächtigen Gebirgsketten umgeben, sehen wir zwischenzeitlich auf  schneebedeckte Hänge und Straßen, während es wie in einer Achterbahn hoch- und runtergeht. Wir schauen hinab in tiefe Schluchten und entdecken ab und an Pferd, Rind und Schaf beim gemütlichen Grasen in Steillage, welche 94% der gesamten Landesfläche prägt.

Auf dem Weg nach Bischkek

Neben dem genüsslichen Ausblick erhalten wir bei unserem ersten Päuschen bereits unsere zweite Einladung auf dieser Reise zum Pferdefleischverzehr, diesmal ganz unkompliziert als dicken Klumpen aus der Plastiktüte auf die Hand, direkt aus dem Kofferraum. Auch entdecken wir auf dem Schopfe des Onkel unseres Fahrers den traditionellen Hut, den sogenannten Kalpak, der mit seiner Form und weißem Grundton die allerorts zu findende weiße Berglandschaft huldigt und auch noch in diesen Tagen viele Männerköpfe schmückt.

Mittlerweile ein Klassiker der kirgischen Popularmusik, zudem mit feinem Gitarrensolo.

In Bischkek angekommen, legen wir eine längere Rast ein. Die Hauptstadt Kirgisistans erwartet uns mit wenig Sehenswürdigkeiten und touristischen Attraktionen, was uns diesmal sehr gefällt. Wir genießen die zwischendurch milden Temperaturen und denken während der Entschleunigung unserer Schritte auf goldgelbem Blätterteppich zum ersten Mal auf dieser Reise an den Herbst und Väterchen Frost.
Bei unserem Couchsurferpärchen treffen wir an den ersten Tagen auch auf Wendy und Scott aus Taiwan. Wir lauschen ihren Reiseabenteuern, die sie auf ihren Wegen durch Indien und China erlebt haben und erfahren über das angespannte Verhältnis von Taiwan zu China. Wie wertvoll jener zufällige Austausch zu Menschen aus anderen Kulturen der Welt ist, bemerken wir erneut an jenem Abend durch die Unterhaltungen mit den Zweien und verstehen die Welt dadurch vielleicht wieder ein wenig mehr. 

Gemeinsam mit unseren kirgisischen Gastgebern Nurmukhammed und Anett vertilgen wir an so manchem Abend gemeinsam das letzte tägliche Mahl und erfahren auch hierbei mehr über Land und Leute. Dabei kommt auch der wachsende Einfluss des Islam zur Sprache. Die Kirgisen als ein Nomaden-Volk waren in früheren Zeiten stärker dem Tengrismus zugewandt, zu dessen höchstem Gebot u.a. die Einigkeit zwischen Mensch und Natur gehört. Nach Auflösung der Sowjetunion 1991 wurde das entstandene “geistige Vakuum” wie auch in anderen Ländern zumindest teilweise durch Religion ausgefüllt. Besonders in den letzten Jahren wurde vom Ausland der Bau von Moscheen und Koranschulen vorangetrieben. Wir hören von aus den Vereinigten Emiraten, Saudi-Arabien oder dem Iran gesandten Imamen, die manchmal gar Eltern dafür bezahlen, dass deren Kinder am Koranunterricht teilnehmen.

Kopfbedeckungen wie jooluk oder elecheck haben eine lange Tradition in der kirgisischen Kultur, worunter sich im Straßenbild nun auch, vermehrt bei jungen Frauen, der Hijab zeigt.

Plakat-Kampagne vonseiten der Regierung: “Arme Leute, wie wollen wir leben?”, Sommer 2016, https://blog.nationalgeographic.org/2018/03/11/insight-into-kyrgyz-identity-through-hats-hijabs-and-other-types-of-head-coverings/

Trotz all dieser interessanten Gespräche soll es für uns weitergehen. Doch müssen vorher noch das indische und pakistanische Visum beantragt werden.
Auf unseren Wegen zur Botschaft integrieren wir die süßen Eierkuchen, blini, am Straßenrand als kleine warme Sünden in unseren täglichen Verzehr. Auf dem Bazar ums Eck probieren wir uns zudem durch das breitgefächerte Salatbuffet und ergattern Walnuss und getrocknete Aprikosen zusammen mit Mathias, der kurzfristig auch bei unseren GastgeberInnen unterkommt.

Zu dritt machen wir uns auf in den La-Artscha-Nationalpark, atmen viel der frischen Luft, stärken uns durch kühles Bergwasser und fühlen uns beim Blick hinauf in den Himmel wie ein Trio kleiner Zwerge zwischen all den mächtigen Riesen aus Stein. Da wir bei untergehender Sonne erst wieder an den Eingang des Tals zurückkehren, sind wir zusammen mit einem Autofahrer und seinen weiteren 3 Passagieren die einzigen Hinterbliebenen an jenem verlassenen Ort. Wir dürfen mitfahren und damit auch wirklich keiner auf der Strecke bleibt, erbarmt sich Matthias ritterlich und legt sich für die nächste halbe Stunde in den Kofferraum. Stark!

Da wir noch ein paar Tage länger auf das indische Visum warten müssen, denken wir an noch weitere Abenteuer in kirgisischer Natur und entscheiden uns für einen mehrtägigen Ausflug gen Osten nach Karakol. Entlang des Issyk Kol, des zweitgrößten Salzsees nach dem Kaspischen Meer, erreichen wir das verschlafene kleine Nest. Die meisten Touristen sind schon fort. Während wir den Ziegen beim sich bekriegen zusehen, streifen wir auch hier durch die besinnlichen Wälder, diesmal abseits des nahegelegenen Örtchens Jeti Oguz.
Nachdem wir auf dem Weg zurück nach Bischkek, diesmal südlich entlang des großen Sees, die Märchenschlucht nahe Tamga erklimmen, wagen wir danach, wie von Feenstaub berieseln, einen ganz kurzen Sprung ins ziemlich kühle Nass.

Das traumhafte Tal von Jeti Oguz.

An den nächsten Tagen sollen wir unseren Höhepunkt in Kirgisistan erleben.
Über einen anderen Reisenden in Karakol erfahren wir von Jengish und seinem Gästehaus fernab der Straßen inmitten des Nirgendwo. Mehrere Brücken überquerend erreichen wir schließlich das einzige Haus weit und breit um uns herum. Wir sind angekommen im Tal von Chon Kemin.
Für einen Tag lassen wir uns verwöhnen von deftiger Hausmannskost und müssen bei der hausgemachten Marmelade an die in Rostock aus Himbeeren gemachte und ebenso gute Leckerei denken. Umgeben von allerlei Truthahnmüttern und ihrem jungen fidelen Gefolge Iassen wir uns nach dem Mittagessen auf der Wiese die Sonne auf den gewölbten Bauch scheinen und verwandeln uns nur wenig später in Terrence Hill und Bud Spencer. In unseren Ohren erklingt die alt bekannte Winnetou-Melodei und unsere Reise in Begleitung von Jengishs Sohn hinauf in die Berge auf kirgischem Pferde kann beginnen.
Während sich Nikolas’ Begleiter durch einen gemütlich trägen Pferdeschritt auszeichnet, sucht meine Stute bei jeder Gelegenheit nach einem grünen Halm zu allen Seiten. Dennoch kommen wir mit unseren charakterstarken Warmblütern gut voran und entdecken durch den Feldstecher einige Rehe und Steinböcke, während wir unseren Tieren eine kurze Auszeit von unseren Körpern gönnen.

Auf dem Weg zur nächsten Grenze machen wir noch einmal Rast in Osh, der zweitgrößten Stadt Kirgisistans. Nazgulia empfängt uns nach unserer langen Anreise aus Bischkek in den späten Abendstunden im flauschigen Bademantel und Pantoffeln unter den Straßenlaternen an ihrem Gartentor und hält für den kommenden Nachmittag einige Überraschungen für uns bereit. Wir folgen der Einladung der engagierten Englischlehrerin nach Frühstück und Mittagessen in einem gemütlichen Stadtcafé und finden uns sodann im DirektorInnenzimmer ihrer Schule wieder. Nachdem das Fotoshooting beendet ist und viele Selfies mit uns und der stellvertretenden Direktorin für die Ewigkeit eingefangen sind, wird die nachfolgende Englischstunde kurzerhand nach draußen verlegt und wir unternehmen einen Ausflug mit Nazgulia und ihren Zöglingen auf den Berg Suleman-Too. Von hier sehen wir der großen Stadt beim Inhalieren der vielen Auto-Abgase zu und dürfen aus dem Augenwinkel Jung und Alt beim illustren Steinerutschen beobachten.

Am darauffolgenden Tag geht es über Sary Tash immer weiter in Richtung chinesischer Grenze. Wir kommen der Toblerone mit weißen Gipfeln immer näher und werden schließlich nach nahezu aussichtslos leeren Straßen von zwei liebenswerten Truckerfahrern mit an den Grenzort Irkeschtam genommen.
Am wohl trostlosesten Ort auf unserer Reise finden wir in einer der verbliebenen Blech-Bauwägen Unterschlupf und sehen dem aufsteigenden Rauch aus den Schornsteinen dabei zu, wie sich ihren Weg zur chinesischen Grenze bahnen. Morgen geht’s nach China.

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