Langsam und leise erwacht ein neuer Tag. Lichtstrahlen bahnen sich nach und nach den Weg zwischen kleinen und sehr großen Wohnhäusern hindurch & gewinnen immerzu an Höhe, begleitet von Vogelgezwitscher und einem kickerikienden Hahn, inmitten einer Großstadt. Mit dem Blick aus dem Fenster des 5. Stocks in Ümranyihe macht Istanbul in den frühen Morgenstunden einen ganz ruhigen Eindruck und lässt kaum die Vorstellung zu, dass in dieser Stadt 17 Millionen Menschen zu Hause sind. Denn sofern man der Innenstadt nur ein bisschen näher kommt, fühlt man sich wie ein kleiner Fisch in einem wahnsinnig großen Schwarm von sehr sehr vielen Fischen ohne Möglichkeit, dem Klang der Straße zu entgehen.
Bevor wir die Türkei und Istanbul verschnupft und erschöpft am Freitag vor knapp einer Woche erreichen, verbringen wir nach unserem Aufenthalt in Sofia noch ein paar Tage an der Küste in Burgas.
Auf unserem Weg hinaus aus Sofia kommt es noch zu einer kurzen Bekanntschaft mit Vladina, einer Frau in den Mitte 50ern mit eigener Talkshow, bei der wir mit unseren Rucksäcken volle Aufmerksamkeit erregen. Neugierig über unser Unterfangen zu erfahren, erzählt sie selbst begeistert von ihren Reisen per Autostop. Eine Möglichkeit des Reisens, von der sie noch immer großer Fan ist und so – bis heute – unterschiedliche Länder bereist. Ausgestattet mit von ihr gesponsortem Proviant und ihrem Bekenntnis „inside I’m a hippie“ verabschiedet sie uns und wir nehmen den Bus stadtauswärts.
Nach nur wenigen Minuten mit herausgehaltenem Schild werden wir sogleich von einem Pärchen nach Plovdiw mitgenommen und während der Fahrt darüber hinaus sogar noch mit Schokolade versorgt. In einer der Kulturhauptstädte 2019 angekommen, gönnen wir uns aufgrund fehlender Grünflächen für einen unschlagbaren Preis ein sehr rustikales Hostel, was durch seinen sehr unkonventionellen Charme uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben wird. Bei unserem Eintreffen wird zu allererst lautstark auf Bulgarisch der Preis kommuniziert und beim Kartoffelkochen versuchen wir weiter mit der „Rezeptionistin“ in Gespräch zu kommen. Es wird viel gelacht auch wenn wir einander wohl mit keinem Wort verstehen. Beim Abendspaziergang und während unserer morgendlichen Erkundungsschritte durch die kleine Stadt sind wir immer wieder umgeben von Klängen, wie denen von Bach auf dem Klavier, gespielt in Jazzmanier, die sich aus den geöffneten Fenstern auf die Gassen der kleinen Straßen ausbreiten.
Doch es soll weitergehen. Nach einer Übernachtung in Plovdiw zieht es uns an die Küste Bulgariens und ans Schwarze Meer. Doch dieser Tag ist wirklich nicht ohne! Unsere erste Mitfahrgelegenheit sichert uns zwar zu, auf dem richtigen Weg zu sein, doch wir erkennen leider einige Minuten zu spät, dass die Route für uns eher ungünstig ist. So müssen wir erst einmal zurück laufen, begleitet von quälender Hitze und dem Lärm der vorbeifahrenden Autos, ohne Unterlass. Nach langem Warten und wenig Hoffnung haben wir doch noch 3x großes Glück und schaffen es am Ende noch nach Burgas. Wegen eines leicht angeschlagenen Näschens wird auch in dieser Stadt lieber günstig eingecheckt als sich noch auf die Suche nach einem Zeltplatz zu begeben, auf dem Balkon gekocht und am Abend das Zimmer in einen Wäscheleinensalon umfunktioniert.
Die darauffolgenden Tage verbringen wir am Strand von Arkutino 30km südlich von Burgas und kehren Menschen und der Stadt den Rücken. In wenigen Tagen soll hier die Sommersaison starten, doch bis jetzt nahezu Leere so weit das Auge reicht. Wir finden ein nettes, abgeschiedenes Plätzchen in der Bucht und freuen uns darauf, uns für ein paar Tage die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Aber Schnupfen und Halskratzen machen uns einen Strich durch die Rechnung. Und so verbringen wir unsere Zeit am Meer lediglich damit, zu genesen und unsere Essensvorräte zu verputzen. Immerhin ist das Meeresrauschen unser ständiger Begleiter, wiegt uns in den Schlaf und begrüßt uns am Morgen.
Da wir bereits Okan, unserem Couchsurfer in Istanbul zugesagt haben, uns die Nahrung ausgeht und unser Unwohlsein nicht nachlässt, entschließen wir uns, das Strandparadies zu verlassen und mit dem Nachtbus nach Istanbul zu fahren.
Bereits in den frühen Morgenstunden erreichen wir diese große Stadt, unser erstes großes Ziel, ohne EU-Internet und zu allererst ein wenig orientierungslos. Nach kurzer Starthilfe der Einheimischen machen wir uns auf den Weg zu Okan. Beim Anblick der unzähligen Moscheen, der Essensstände und kleinen Lädchen haben wir das Gefühl, dass unsere Reise jetzt erst so richtig beginnt.
So glücklich und dankbar dafür, dass wir schon so früh bei Okan sein dürfen, schnappen wir uns erst einmal eine große Mütze Schlaf im großen Gästebett und machen den Tag über nicht viel anderes.
Am nächsten Tag und schon ein gutes Stück gesünder geht es dann so richtig los! Es ist schwer in Worte zu fassen und zu schade, dass es uns nicht möglich ist, unsere kulinarischen Erlebnisse in Form von Essensproben zu teilen. Wir erleben in den letzten Tagen eine wahnsinnig beeindruckende Gastfreundschaft und Freundlichkeit, die es so schön und einfach macht, sich in einer vermeintlichen Fremde sehr schnell sehr wohlzufühlen. Unser wohliges Gefühl steigert sich durch unsere Reise zu jenen Köstlichkeiten, die wir hier probieren und auf der uns Okan tatkräftig und enthusiastisch begleitet. Fast jeden Tag verbringen wir mit ihm auf den Straßen der Stadt, probieren unwiderstehlich gutes Turkish Delight, Baklava, Kebab, Köfte, Manti, die allgegenwärtigen mit Reis gefüllten Miesmuscheln und müssen beim Abendbrot ohne Zweifel anerkennen, dass Okan das beste Rührei aller Zeiten zubereiten kann!
Heute soll es wieder Richtung Schwarzmeer-Küste und Georgien weitergehen. Wir sind gespannt aufs Trampen in der Türkei und alles, was so kommt!
Anmerkung: Beide Teilnehmer unseres kleinen Ratespiels (s. unten) haben unseren Aufenthaltsort Istanbul richtig erraten. Herzlichen Glückwunsch! Über die Preise müssen wir uns noch Gedanken machen. Danke für euer Verständnis.