Am 4. Oktober sind wir in Uzbekistan. Von der „Taxi-Mafia“ hinter der Grenze hatten wir schon gehört. Man will uns nicht in einem der günstigen öffentlichen Minibus-Taxis mitfahren lassen. Deren Fahrer und die regulären Taxifahrer, die es auf uns schwerreiche Touris abgesehen haben, machen gemeinsame Sache. Ein unnötigerweise maskierter und damit nicht ganz ernst zu nehmender Mann hält die Fäden in der Hand und schreibt sich immer wieder etwas Wichtiges in sein Notizbuch. Erst als wir uns demonstrativ in einen der Minibusse setzen und mit den darin wartenden Frauen zu plaudern beginnen, wird schließlich eingelenkt und man fährt uns für 10 statt der ursprünglich geforderten 30$ nach Bukhara direkt zum Hostel.
Ums Campen ist es eher schlecht bestellt hier, denn bei der Ausreise werden zumindest einige Registrierungs-Zettel gefordert, die von den Hotels ausgestellt werden und außerdem sehen wir uns selten mit einer Landschaft konfrontiert, die sich gut zum Zelten eignet. Wir fahren vorbei an Feldern, auf denen Frauen kleine weiße Wölkchen sammeln, die weiter weg zu meterhohen Bergen geschichtet werden. Weit und breit erstrecken sich die Baumwollfelder. Das „weiße Gold“ aus Uzbekistan soll eines der besten der Welt sein, weil noch von Hand gepflückt wird. Unterbrochen wird diese landwirtschaftliche Einöde von kahlen Wüsten oder Siedlungen.
Bukhara entpuppt sich als gemütliche und leicht zu entdeckende Stadt, die sich gut auf die wieder vermehrt anzutreffenden Touristen eingestellt hat. Die historischen Bauwerke sind hübsch saniert und wir schlendern gemächlich an alten Zitadellen, Moscheen mit prächtigen Holzvorbauten und großen Komplexen vorbei. Abends lassen wir uns ein Süppchen und Manti, gefüllten und in Brühe gekochten Teigtaschen, schmecken.
Am nächsten Tag geht es nach Samarkand, welches ebenfalls mit beeindruckenden Bauten auftrumpft. Für eine Nacht finden wir sogar ein Plätzchen hoch über der Stadt und freuen uns, mal wieder im Zelt zu liegen. Es soll für eine ganze Weile das letzte Mal sein…
Wir treffen Azim, einen Maschinenbauer, der uns mit seinem fließendem Deutsch überrascht, welches er sich in den letzten 6 Monaten selbst beibrachte. Für ein 3-monatiges Praktikum sei er auch schon in Deutschland gewesen, erzählt er uns, hat aber den Wunsch, wieder dorthin zurückzukehren, auch wenn er zunächst weit unter seiner Qualifikation arbeiten müsste. Mit seinem Ehrgeiz und seinem Optimismus beeindruckt uns Azim, auch wenn er sich einreiht in die unzähligen Menschen mit der gleichen Hoffnung, die wir bisher trafen und wir unweigerlich an den brain-drain, dem Abwandern gut ausgebildeter Fachkräfte, denken, der vielen Ländern unserer Route widerfährt.
Wir halten uns nicht lange auf, wollen noch, bevor es zu kalt wird, einige Zeit in Kirgisistan verbringen und später über zwei hohe Pässe nach China und Pakistan.
Da trifft es sich fast gut, dass Taschkent als eine von einem verheerenden Erdbeben 1966 fast vollständig zerstörte Stadt weit weniger Sehenswürdigkeiten als Bukhara und Samarkand zu bieten hat. Im Bus dorthin freunden wir uns mit Abdurauf an, der uns abends durch die Straßen führt. In den kunstvoll verzierten U-Bahnhöfen erzählt er uns, dass es nach dem Beben eine beispiellose Hilfewelle aus der ganzen Sowjetunion gab. Unzählige freiwillige Arbeiter seien gekommen, um die Stadt wieder aufzubauen, auch die damals moderne Untergrund-Bahn sei ihnen zu verdanken. Auf den langjährigen autokratisch herrschenden Präsidenten Islom Karimov angesprochen, sagt der Anfang-Zwanzigjährige, Karimov habe nach der Unabhängigkeit eine starke Hand bewiesen und es hätte über all die Jahre an brauchbaren Alternativen gemangelt. –
Wir treffen auch unsere Georgien-Bekanntschaften Franni und Jan wieder, die sich nach knapp anderthalb Jahren unterwegs jetzt auf der Rückreise nach Deutschland befinden. Es ist ein bisschen komisch – wir sind noch mittendrin und die beiden können es langsam kaum noch erwarten, wieder nach Hause zu kommen.
Unsere letzte Station in Uzbekistan ist Andijan vor der kirgischen Grenze. Wir wollen es doch nochmal mit dem Trampen versuchen und werden belohnt. Otabek nimmt uns mit und besteht nach den 5 Stunden Fahrt darauf, dass wir den plov, ein für Zentralasien bekanntes Gericht aus in Lammfett gebratenem Reis und Fleisch, seiner Frau probieren. Wir haben noch etwas Zeit, bis unser Couchsurfing-Host uns empfangen kann und nehmen die Einladung an. Es schmeckt vorzüglich und wir sind froh, dass auch hier eine so unverhoffte und herzliche Begegnung zustande gekommen ist.
Doch auch unser Gastgeber Azizbek hat noch etwas vor heute Abend. Sich auf islamische Traditionen berufend, werde nur ich zum geselligen Beisammensein mit seinen Freunden eingeladen. Während Henriette gute Miene zum seltsamen Spiel macht, gehe ich anstandshalber mit auf den Männerabend. In einem Lokal um die Ecke warten schon zwei Freunde Azizbeks mit Häppchen und – ganz entgegen der guten Traditionen – Wodka auf uns. Es soll der feinste Wodka überhaupt sein (siehe auch die garantiert nicht überproduzierte Werbung) und mit der Erwartung, am nächsten Tag keine Kopfschmerzen zu haben, falle ich 4 Stunden später ins Bett.
Pustekuchen, stelle ich am nächsten Morgen fest, aber wir wollen heute noch nach Bischkek. Also machen wir uns mit mehr oder weniger klarem Kopf an die nächste Grenzüberquerung…
Uzbekistan ist letztlich nur ein kurzes Kapitel unserer Reise. Was bleibt, sind die Erinnerungen an listige Taxifahrer und Gastwirte, an Touristenziele, Baumwolle, Fettbrühen und Pferdefleisch. Vielleicht kommen wir nochmal vorbei und schauen, was es im Westen des Landes zu entdecken gibt, in Xiva und Nukus, aber bis dahin: Arrivederci, Sergey!