Unsere Reise ist jetzt erst einmal vorbei. Wer weiterlesen oder -gucken möchte, dem seien folgende Links von Freunden und Bekannten empfohlen:
Max ist im September 2019 in Dresden mit dem Fahrrad gestartet ohne Zeitdruck, dafür mit viel Neugier und Entdeckungsdrang. Corona hat natürlich auch ihn betroffen und ihn bisher an der Weiterreise aus Griechenland gehindert, wo er sich seit einiger Zeit in der Flüchtlingshilfe auf Moria engagiert. Er schreibt mit viel Witz und schreiberischem Können über seine Erlebnisse auf radweise ostwärts.
Lio und Stefan sind Freunde von Freunden und ein Jahr vor uns aus Leipzig losgeradelt, um ein knappes Jahr später in Peking anzukommen und von dort aus wieder nach Hause zu fahren. Corona-technisch super getimed! Einen guten Teil der Strecke sind wir auf den Spuren der beiden gewandelt und haben in Kirgisistan sogar zweimal bei denselben Couchsurfing-Hosts übernachtet. Auch ihr Blog „Reise zum Mond“ ist sehr zu empfehlen.
Timmi und Duygur haben wir in Indien kennengelernt, als Duygur schon hochschwanger war. Die beiden waren mit ihrem Wohnmobil und zwei Hunden unterwegs und haben eine der erlebnisreichsten Reisen hinter sich, die man sich nur vorstellen kann. In Indien ausgeraubt, in Aserbaidschan in Corona-Quarantäne zwangsinterniert, sind sie mittlerweile wohl bei einigen deutschen Botschaften auf der Welt gut bekannt. Sie haben den youtube-Kanal RockandRollCaravan, wo Timmi diese aufregenden und interessanten Geschichten mit viel eigenem Filmmaterial von unterwegs hinterlegt.
Unterwegs sind wir außerdem auf diese zwei Blogs gestoßen, die zu unseren Lieblings-Reiseführer wurden:
Auf mortenundrochssare.de erzählen – wer vermutet es? – Morten und Rochssare von ihren bisher 9 Jahren on the road. Die beiden waren schon in Südamerika, seit 2014 aber auch auf unserer Route von Europa nach Südostasien vor allem per Anhalter und mit lauter Campingzeugs unterwegs und bringen als ausgebildete Journalisten nochmal deutlich bessere schreiberische Qualitäten als unsere Wenigkeiten mit. Sie schreiben nicht nur herrlich ausführlich und unterhaltsam von ihren Reiseerfahrungen, sondern geben auch Tipps von Visabestimmungen bis Packliste für diejenigen, die selber mal Bock auf ein ähnliches Abenteuer haben.
Alex ist eine US-amerikanische Bloggerin und Betreiberin des wunderbaren (englischsprachigen) Blogs lostwithpurpose (soviel wie: „mit Absicht verlaufen“). Auch sie ist viel im Iran, Zentralasien, Pakistan und Indien gereist, hat einen fetzigen Schreibstil und macht umwerfende Fotos, die des Öfteren Grund genug für uns waren, einige ihrer Empfehlungen anzusteuern.
Eine riesige Inspiration waren für uns natürlich auch Gwen und Patrick aus Freiburg, die es von 2013 bis 2016 tatsächlich geschafft haben, die Welt ohne Flugzeug zu umrunden, indem sie immer ostwärts gereist sind. Viele von euch werden ihre Reisedokumentation „weit“ schon kennen. Die beiden haben außerdem ein tolles Reisemagazin veröffentlicht und betreiben die Website weitumdiewelt.
Wer jetzt immernoch nicht genug von Abenteu(r)ern hat, die das Reisefieber in die Höhe treiben, kann sich auf diesen Seiten verlieren:
Schonmal von Freya Hoffmeister gehört? Die Eisdielen-Besitzerin aus Husum ist vor allem als Kanutin bekannt geworden, die unter anderem Island, Australien und den gesamten südamerikanischen Kontinent im Seekayak umrundet hat und sich aktuell an einer Nordamerika-Umrundung versucht. Stundenlang haben wir uns während des Lockdowns in Thailand durch die Fotos auf ihrer (leider etwas unübersichtlichen) Website geklickt.
Will Copestake ist ein schottischer Outdoor-Junkie, der mittlerweile sein Hobby zum Beruf gemacht hat und Touris u.a. durch Patagonien führt. Je abgelegener, desto besser, könnte sein Motto sein und so wanderte er bereits quer durch Island, umrundete innerhalb eines Jahres sein Heimatland mit dem Seekayak und lief monatelang durch Neuseeland. Allein seine Fotos sind atemberaubend!
Vorbei. Jetzt wirklich. Es ist wieder kalt und grau, eine Kombination, die wir schon fast vergessen hatten. Zu Hause. Weihnachten im Kreise der Familie. Meiner Nichte das erste Mal in ihre großen Augen schauen. Wildschweinbraten. Blog schreiben mit einer Tastatur und einem großem Bildschirm.
Iran-Fotos zeigen. Das ist schon über ein Jahr her. Wir erinnern uns an die Herzlichkeit und das Interesse vor allem der jungen Leute an uns. Meine Eltern sagen, sie fühlen sich an ihre Aufregung damals im Osten erinnert, wenn ihnen Gleichaltrige aus dem westlichen Ausland begegneten, denn das war selten und selber reisen ging nur ins sozialistische Ausland.
Was haben wir mitgenommen, was gelernt? Die Zeilen schreiben sich schwer. Wie will man diese Zeit als Ganzes begreifen? Wohl am ehesten, in dem man sie in zwei Abschnitten betrachtet.
Da war zuerst die Zeit von Mai 2019 bis März 2020. Wir reisen, wie wir es uns erträumt hatten. Von Leipzig nach Istanbul geht es noch relativ schnell. 4 Wochen brauchen wir für die Strecke durch Osteuropa, besuchen Freunde in Ungarn, werden krank, gönnen uns wenig Pausen. Was noch alles auf uns wartet! Eine Woche in der Megacity am Bosporus, dann in nochmal einer Woche die Schwarzmeerküste entlang, bis wir im Hochsommer Georgien erreichen. Das erste Mal workaway, wir lernen Jan und Franny kennen, die uns noch für eine Runde durchs Land im Auto mitnehmen. Aserbaidschan gerät zur Nervenparty, weil wir für die Weiterreise von nun an Visa brauchen, bei denen es manchmal auch das Kleingedruckte zu beachten gilt. Dann endlich: der Iran! Ein aufregendes, trockenes, freundliches, verstörendes und doch wunderschönes Land. Von diesen Erfahrungen werden wir noch lange zehren.
Weiter geht es durch Zentralasien bis hoch ins bergige Kirgisistan. Wir sind ein wenig in Zeitnot, denn unser nächstes Ziel ist die höchste Grenze der Welt, die spätestens Ende November schließt – von China nach Pakistan. Doch erst müssen wir durch den Orwell’schen Alptraum Xinjiangs, bei weitem nicht die erste und einzige politisch fragwürdige Region unserer bisherigen Reise, doch eine der beklemmensten. In Pakistan können wir dann aufatmen: die erste größere Hürde ist genommen, eine Last fällt von uns ab. Wieder dürfen wir die Gastfreundlichkeit spüren, die uns auch schon in der muslimischen Türkei und dem Iran so fasziniert hat. In 4 Wochen reisen wir den Karakoam-Highway bis hinunter nach Islamabad und weiter nach Lahore, fotografieren uns in atemberaubenden Landschaften die Finger wund, handeln uns eine Lebensmittelvergiftung ein und dürfen bei einer Ikone der Gleichberechtigungs-Bewegung unterkommen.
Wir fahren weiter nach Indien, diesem riesigen, chaotischen Subkontinent und bringen eine gehörige Portion Respekt mit. Doch Stück für Stück kommen wir dem Land und seinen Leuten näher und fühlen uns spätestens, als wir über Weihnachten das erste Mal so richtig Urlaub vom Reisen machen, angekommen. Der Zug hat mittlerweile das Trampen abgelöst, ganz so masochistisch wollen wir auf die weiten Entfernungen dann doch nicht sein. Den europäischen Winter verbringen wir also bei angenehmen Temperaturen erst an der West- später dann an der Ostküste, um schließlich im Nordosten des Landes anzukommen, der einiges zu bieten hat, dort, wo Indien Bangladesch umschlingt. –
Immer wieder halten wir uns in diesen ersten 10 Monaten vor Augen, wie privilegiert wir sind und was für ein Glück es ist, dass wir uns tatsächlich aufgemacht haben. Jeden Tag aufs Neue haben wir die Freiheit zu tun, was wir heute für das Richtige halten. Wir leben in die Tage hinein und lieben es. Gefällt es uns an einem Ort, bleiben wir noch ein bisschen länger. Haben wir das Gefühl, es ist genug, überlegen wir uns ein neues Ziel, stellen uns an die Straße oder steigen in einen Bus. Unser Leben so kostet nicht viel, natürlich auch, weil wir in eine günstige Himmelsrichtung reisen, immer wieder couchsurfen und auf unsere Ausgaben achten. 500 – 600 Euro geben wir zusammen im Monat aus. Davon haben wir in Leipzig gerade mal unsere Miete bezahlt.
Wir wollen die Kulturen verstehen, so gut es eben geht in der Kürze der Zeit, die oft genug durch die Visa beschränkt ist. Oft sind es unsere Couchsurfing-Hosts, die uns an die Hand nehmen, uns durch ihre Städte und die Wohnzimmer ihrer Freunde führen.
Beim Trampen treffen wir hingegen oft auf Landsleute, mit denen wir keine gemeinsame Sprache sprechen. Hier ist die Google-Übersetzungs-App ein Segen, wenn Hände und Füße mal nicht ausreichen. Diese Art des Reisens ist kein Urlaub. Unsere Tage sind gut ausgefüllt mit unserem Vorankommen, dem Organisieren von Schlafplätzen, unseren neuen Bekanntschaften und dem Pläne schmieden für das, was als Nächstes kommen soll.
Da war das Ziel noch Australien. Unser Foto für eine Website, die Segelcrews vermittelt. Nachdem wir unsere Kamera zum dritten Mal reparieren lassen müssen, macht die redselige Managerin des Ladens ein Beweisfoto, dass alles wieder i.O. ist. Ich bin noch etwas skeptisch, Henriette scheint optimistischer.
Immer wieder begegnen wir in diesen ersten 10 Monaten auch den Auswirkungen des Klimawandels. In den mit historisch bedeutsamen Gebäuden überreichen Städten des Iran sehen wir oft wunderschön gemauerte Wasserspeicher, in die noch bis vor 30 Jahren im Winter genug geschmolzener Schnee geleitet werden konnte, sodass die Bewohner der Stadtviertel bis weit in den Sommer hinein von den Vorräten zehren konnten. Nun sind die Speicher das ganze Jahr über leer, die Temperaturen steigen jedes Jahr und zusammen mit einem verheerenden Missmanagement der verbleibenden Wasserressourcen vonseiten der Regierung steuert das Land auf eine Katastrophe zu. Auch in Usbekistan haben die Menschen mit Wassermangel zu kämpfen, was wiederum nicht nur mit den Klimaveränderungen, sondern auch mit der jahrzehntelangen Bewirtschaftung weiter Teile des Landes mit Baumwolle zu tun hat. Eines der prominentesten Beispiele dieser verheerenden Priorisierung des weißen Goldes liegt zur Hälfte in Usbekistan, zur anderen in Kasachstan und wird von vielen Wissenschaftlern als eine der größten von Menschen verursachten Umweltkatastrophen überhaupt angesehen: der Aralsee, einst viertgrößter Binnensee der Erde ist durch das Abzweigen großer Wassermassen für die Landwirtschaft mittlerweile fast vollständig ausgetrocknet. Bis zu den traurigen Resten tief im Westen des Landes haben wir es nicht geschafft, die sich über große Flächen ziehenden Baumwollfelder sind allerdings auch im von uns bereisten Osten immer noch allgegenwärtig und machen das Dilemma einer usbekischen Abhängigkeit deutlich.
Auch im Süden Indiens sind die Auswirkungen des Klimawandels deutlich zu spüren. Als wir auf einer Milchfarm in der Nähe von Chennai für eine Woche mithelfen, erzählt uns unsere Gastgeberin Glory, dass seit Jahren die Regenfälle des Monsun, von den knapp 90% der indischen Landwirtschaft abhängig sind, weniger, dafür jedoch extremer werden, was für die zarten Reispflänzchen zum Problem wird.
Und dann läutet Corona das zweite Kapitel unserer Reise ein. Schon im Begriff, an die Grenze von Indien nach Myanmar zu fahren, erfahren wir, dass diese dicht ist. Mental haben wir uns da schon von einem auch oft genug anstrengenden Indien verabschiedet, wollen weiter und unser Visum läuft ab. Da bleibt nur das Flugzeug, von dem wir uns eigentlich fernhalten wollten. Immerhin können wir noch nach Thailand.
Auch wir unterschätzen in diesen Tagen die Tragweite dieser Pandemie noch lange, denken, dass das Virus in ein paar Monaten unter Kontrolle gebracht sein wird und die Grenzen wieder öffnen. Das Warten wird anstrengend und in unserem Hostel in Chiang Mai fällt uns bald die Decke auf den Kopf. Nach 2 Monaten können wir zwar immer noch nicht nach Laos, dafür in die Nachbarprovinz nach Pai, wo wir die kommenden 3 Monate mit dem Fertigstellen eines kleines Hauses im workaway-Projekt von Kleaw ein schönes Projekt vor Augen haben, welches uns die Zeit dort eine ganze Weile lang nicht langweilig werden lässt. Spätestens jetzt wird jedoch auch uns klar: es geht nicht weiter ostwärts. Vietnam, Australien und Südamerika bleiben uns dieses Mal verschlossen.
Doch wir jammern natürlich auf hohem Niveau. Überall auf der Welt verlieren manche Menschen wegen Corona sogar Angehörige, viele ihre Arbeit. In Thailand macht der Tourismus 2019 fast 22 % des BIP aus. Fast alle diese Einnahmen brechen nun weg. Chiang Mai mit seinen Hostels, Cafés und Restaurants an jeder Straßenecke wirkt manchmal fast wie ausgestorben. Auch Harry, bei dem wir während unserer Zeit dort unterkommen, musste schließlich Ende Oktober schließen, Zukunft ungewiss. Wir dagegen müssen erstmal „nur“ unsere Freizeitpläne umgestalten.
Unsere letzten 4 Wochen in Thailand können wir noch auf dem paradiesischen Koh Phangan verbringen, dann geht es im Langstreckenflug zurück nach Europa. So lange wie möglich wollen wir aber auch hier noch unsere endgültige Rückkehr hinauszögern, eine Rückkehr zu einem Leben mit einem geregelten Alltag, vor dem uns noch graut. Fast 2 Monate verbringen wir also noch in Griechenland und helfen auf einer Farm aus, bevor wir auf dem Rückweg nach Deutschland sogar Venedig noch einen Besuch abstatten können.
Es ist ein anderes Reisen geworden. Mit längeren Aufenthalten an einzelnen Orten, mit dem Online-Unterrichten, das seine Planungen und gutes Wifi voraussetzt, mit mehr Zeit, sich kleineren Projekten zu widmen. Und auch das lernen wir zu schätzen. Rückblickend ist es eine wohltuende Überbrückungszeit gewesen, zwischen dem zielstrebigen Immer-weiter des ersten Abschnitts und einem erneuten Sich-Niederlassen in Deutschland.
Jetzt ist es also soweit. Wir sitzen wieder im Elternhaus, gucken nach Jobs und Wohnungen, ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Wenn wir an die Reise als Ganzes denken, sind wir wohl vor allem froh, tatsächlich losgezogen zu sein und dankbar, dass wir trotz dieses verrückten letzten Jahres noch so lange unterwegs sein konnten. Wir durften die kulinarischen Köstlichkeiten u.a. der Türkei, des Irans, Indiens und Thailands kennenlernen, unsere Geografiekenntnisse auffrischen (Wer weiß denn schon, wo Turkmenistan liegt?) und uns mit der Geschichte der Länder, die wir bereisten, auseinandersetzen. Oft genug trafen wir auch auf Reisende aus allen möglichen Regionen der Welt, die uns von ihren Heimatländern berichteten. So erzählten uns die professionellen youtuber Scott und Wendy in unserem couchsurfing-Quartier in Bischkek von ihrer Heimat Taiwan und dem schwierigen Verhältnis zu China, der gerade einmal 19jährige Solo-Reisende Shubi aus Indien hingegen, den wir wenig später am Karakol kennenlernten, bereitet uns schonmal auf einige Eigenheiten seiner Landsleute vor.
Wir lernen, dass oft schon ein paar Worte in der Landessprache reichen, um die Herzen seiner Bewohner zu gewinnen. Und wir können bestätigen: Deutsche sind wirklich überall.
Vor allem aber wissen wir jetzt, uns liegt das Langzeitreisen. Besonders, wenn es unterwegs gerade gut lief, hatten wir schon Pläne für noch andere Routen im Kopf, irgendwann mal. Von Südamerika nach Kanada. Auch in Afrika von ganz unten bis zurück nach Europa. Mit dem Wohnmobil durch Russland und natürlich irgendwann noch einmal mit dem Schiff über einen Ozean. Es gibt noch so viel zu entdecken und wir haben definitiv Blut geleckt, auch weil uns – im Gegensatz zu anderen, die wir trafen – zum Glück nichts Blödes passiert ist. Der kleine Teil der Welt, den wir bereisen durften, hat sich uns stets wunderbar entdeckenswert präsentiert, uns immer wieder eingeladen, auch um die nächste Ecke zu schauen.
Während die Sonne noch langsam und vorsichtig ihre leuchtenden, wärmenden Fühler ausstreckt, hört man bereits von draußen den im Garten beheimateten Gockel sein morgendlichen Kikeriki verkünden und Kater Moritz um Aufmerksamkeit miauzen. In dem für die Freiwilligen bereitgestellten Caravan bietet nur der Schlafsack Schutz vor Kälte und die zum Tagesbeginn kühlen Außentemperaturen erschweren darüber hinaus das Adieu zum warmen Bette. Doch entschädigt die frische warme Ziegenmilch, die beim Melken, der ersten Tätigkeit unseres jeden Tages, mit den Finger gekonnt in das eigene Kaffeeglas manövriert wird, für diesen etwas ungnädigen Tagesbeginn. Die 6 ausgewählten melkfreudigen Ziegendamen lassen uns nach Tagen des Kennenlernens gerne an ihre Zitzen, nur bei der als trittsicheren „Jacky Chan“ braucht es manchmal etwas Geduld. Doch sind sie uns wohl mit die liebsten Tiere auf der Farm, auch wenn der Umgang untereinander manchmal recht ruppig sein kann und der Futterneid ziemlich groß ist. Der einzige und von uns nur als „Der Dicke“ vertretende Ziegenbock beeindruckt mit seinen großen, breit geschwungenen Hörnern, die er, clever clever, auch zum Kratzen nutzt, sofern ihm denn der Rücken juckt und belustigt zudem mit seiner lautstarken Zungenakrobatik, mit der er versucht, die eine oder andere Dame für sich zu gewinnen. Aber die Ziege, die wohl alle Freiwilligenherzen im Sturm erobert, ist die kleine Mirjam, die sich in ihren ersten Jahren durch zu wenig Muttermilch körperlich sich nicht vollständig entwickelt hat. Sie ist bekannt für ihre Orientierungslosigkeit, ihr Trödeln und Meckern, während der Rest der Gruppe beim täglichen Auslauf schon wieder aufgebrochen ist, um nach neuen Futterquellen Ausschau zuhalten.
Der Dicke
Bei der Weiterverarbeitung der Ziegenmilch zu Käse bekommen wir von Isak, einem Freiwilligen, der uns während seiner letzten Tage auf der Farm unsere zukünftigen Aufgaben erklärt, noch einen Tipp und bewahren die Molke, die bei der Käseherstellung übrig bleibt, für unser späteres Mittagessen auf. So zaubern wir dank des sympathischen Dänen während unserer Wochen viele Male eine sehr feine, schlonzige Pasta mit Gemüse aus dem Garten, die anstatt in Wasser in Molke und rohem Ei gekocht wird. Dabei landen am Ende auch die gesammelten Walnüsse in dieser leckeren Kreation und wir genießen in vollen Zügen all die Dinge, die wir selbst geerntet und gesammelt haben. Was für ein schönes Gefühl.
Doch freuen sich auch Huhn und Schwein über unsere täglich rege Zuwendung. Dabei findet auch die 1,5 Jahre alte Tochter von Jorgus und Katerina, Alsini großen Gefallen daran, die kleinen und großen Schweinchen mit alten Tomaten und Süßkartoffeln zu füttern oder versehentlich zu bewerfen. Und so nimmt sie immer mal wieder eine unserer Hände und besucht mit uns gemeinsam die quiekenden Vierbeiner. Neben Mama Schwein, der wir durch ihre stattliche Größe und ihr Gewicht ehrfürchtig gegenüber stehen, gibt es auch noch die kleinen Ferkel, die wie eine kleine schelmische Fünferbande ständig ausbüchsen, über das weitläufige Gelände strolchen und ihr Dasein, so scheint es, in vollen Zügen genießen. Auch die Hühner bekommen von uns jeden Tag frisch gerupftes Gras, was diese sehr fröhlich stimmt und uns im Gegenzug viele große, kleine, graue, weiße und manchmal auch etwas verbeulte Eier beschert. Ca. 100 an der Zahl kommen da pro Tag zusammen.
Auch wenn wir gut zu tun haben und 6 Tage pro Woche am Ackern sind, so stimmen uns die müden Körper fröhlich am Ende des Tages nach so sinnstiftender Arbeit und die Zeit vergeht wie im Flug. Und auch Corona rückt hier in weite Ferne. Neben Nikolas‘ neuem Toilettenpapierhalter für die Außentoilette im Freien erledigen wir noch viele andere Projekte und Aufgaben, wie die letzte Aussaat des Jahres, Erbsen, täglicher Gemüseernte, Hofladenbetreuung und und und.
Dusche
Einmal pro Woche hauen wir dann aber auch mal so richtig auf den Putz und machen uns einen freien Lenz. Allsonntäglich frönen wir dem Dolce Vita mit reichlich Souvlaki, Tzaziki, Oliven und Wein. Unsere Ausflüge führen uns in die malerischen Hafenstädte Limni und Pili mit ihren vielen kleinen Gassen, die zum Umherschlendern einladen und dem blauglitzerklaren Meer und in die Berge, wo wir im für den auswärtigen, abwesenden Priester gemachten Bette übernachten können.
Doch sind wir nicht die einzigen Freiwilligen während unseres 4-wöchigen Aufenthalts. Für knapp 2 Wochen leben wir, nach der Abreise von Isak, zusammen mit einer Französin, Mitte 50, die einiges an Geduld und Empathie einfordert. Trotz vielen Diskussionen über Verschwörungstheorien und ihre eigenen Wahnvorstellungen haben wir uns vorgenommen, lieber die schönen Momente mit ihr am Lagerfeuer in Erinnerung zu behalten, die von ihren Erlebnissen aus Indien und Thailand handeln. Nach ihrer Abreise lernen wir noch die junge Alma kennen, die wie wir für 4 Wochen auf der Farm mithelfen möchte, bevor sie ihren 2- jährigen Militärdienst, der in Israel sowohl für Männer als auch für Frauen Pflicht ist, antreten will. Sie nimmt uns in ihren Erzählungen mit in ihre Heimat und zaubert Humus, der im Nu verschlungen ist. Es ist ein umkompliziertes und entspanntes Zusammenleben und eine Freude, sie nach der vorherigen Erfahrung um uns zu haben.
Auch wenn Jorgus und Katerina viel von ihren Freiwilligen einfordern, so ist ihnen gleichzeitig bewusst, wie viel diese leisten. Wir haben das schöne Gefühl, unser Einsatz wird wert geschätzt. So werden wir zum Beispiel regelmäßig mit leckeren Süßigkeiten aus der Stadt versorgt und auch für einen ausgiebigen Plausch ist Jorgus trotz des eng getakteten Tages immer zu haben.
Nach 4 Wochen Farmlife machen uns die immer kühler werdenden Temperaturen doch ein bisschen zu schaffen. Das Unterrichten im Freien in der Taverne und ein fehlender Rückzugsort auf der Farm bekräftigen uns in unserem Vorhaben, Abschied zu nehmen. Auch die kalte Außendusche wird langsam zur Herausforderung, auch wenn das Immunsystem wohl über so manch kalten Schauer erfreut ist. Der kurzfristig angekündigte landesweite Lockdown lässt wenig zeitlichen Spielraum, da wir nicht sicher sein können, wie lange die öffentlichen Verkehrsmittel noch verfügbar sein werden. Und so packen wir zügig unsere 7 Sachen und kehren der Idylle den Rücken. Dabei schaffen wir es in letzter Instanz nach unserer Ankunft und viel Stau auf den Straßen nach Athen nicht mehr unser eigentliches Vorhaben, Valle, unseren Kompanion aus früheren Dresdner Zeiten auf Kreta zu besuchen, in die Tat umzusetzen.Wir stecken erneut fest in der Hauptstadt und informieren uns in der ersten Woche des Lockdowns über unsere Möglichkeiten des Aus- bzw. Weiterreisens. Aus dem Haus darf man jetzt nur noch für das Nötigste und mit zuvor abgesandter SMS ans Gesundheitsamt. Außer Supermärkten, Bäckereien und Apotheken haben alle Geschäfte geschlossen. Das Ende des Lockdowns ist zwar für Ende November angekündigt, wird erfahrungsgemäß aber gerne verlängert, denken wir uns und planen lieber unsere Weiterreisen Richtung Norden. Vor langer Zeit hatten wir für die Heimreise aus Griechenland die Route über Albanien, Bosnien, Kroatien und Slowenien im Visier, doch schon an der Grenze zu Albanien gibt es gerade kein Durchkommen.
Plan B: Italien. Griechenland wurde in der sich eigentlich überall verschlimmernden Lage von den italienischen Behörden kürzlich sogar als Risikogebiet abgewählt, was bedeutet, dass wir uns nicht einmal in Quarantäne begeben müssen. Und so gönnen wir uns ein letztes großes Schmankerl, bevor es zurück nach Deutschland geht. Nach 33 Stunden auf der Fähre docken wir in Venedig an. Fußwege, Ticketschalter und der Bahnhof wirken überdimensioniert angesichts der wenigen Touristen und Mindestabstände lassen sich bei einem Cappuccino in der Sonne leicht einhalten, wobei wir mit dem Cappuccino eindeutig in der Unterzahl sind. Hier wird schon zum Frühstück lieber mit Aperol Spritz angestoßen.
Es ist wie befürchtet. Keiner nimmt uns mit. Trotz Dauerlächelns, unserem Bemühen, möglichst fit auszusehen und Mund-Nasen-Schutz auf Kinnhöhe, zum Hochziehen bereit, falls doch noch eine Autotür aufgehen sollte. Zum traditionell eher zurückhaltenden Verhalten der Griechen gegenüber abgehalfterten Touristen an der Straßenseite kommt nun die (absolut nachvollziehbare) Angst vorm Virus hinzu. Wäre es nach uns gegangen, würden wir in diesem Moment auch lieber im Bus in Richtung unseres nächsten workaway-Projektes sitzen, doch der ist schon abgefahren. Dafür schlägt mal wieder die Stunde unserer immer mitgeschleppten und viel zu wenig gebrauchten Camping-Ausrüstung. In einem verlassenen Gärtchen schlagen wir unser Zelt unter ein paar Olivenbäumen auf, futtern die letzten Teigwaren der Bäckerei und werden bald von einer frischen Nacht umhüllt. Dass die goldenen Zeiten des Trampens und wahrscheinlich auch die silbernen längst vorbei sind, hatten wir verstanden. Durch die Pandemie scheint es, als wären nun wirklich die letzten Tage des von uns so gefeierten Anhaltertums angebrochen. Gut, dass wir schon auf dem Heimweg sind. –
Doch nochmal 6 Wochen zurück. Unsere neue Heimat für noch gut 3 Wochen heißt Koh Phangan und ist vor allem als Party-Paradies bekannt. Normalerweise steppt hier besonders im Süden der Insel der Bär. Zu den legendär und damit zunehmend hoffnungslos überlaufenen Full- und Halfmoonparties und Eimerbesäufnissen im Rahmen von überall angebotenen Barhopping-Events verirren sich jedes Jahr tausende Feierwütige hierher und bescheren den Einwohnern zwar allmorgendlich vollgekotzte Strände, aber auch Einnahmen, von denen manche Landsleute nur träumen können. Jetzt wirken die Partymeilen gespenstisch leer und mitleidig beobachten wir am Hauptstrand Haad Rin, wie die Feuershow eines Barangestellten vergeblich um die paar versprengten Spaziergänger buhlt, während aus den Boxen ohrenbetäubender House schallt, als wäre nichts gewesen. Trotz Corona scheint es jedoch, als würde immernoch gut die Hälfte der Insulaner aus Westlern bestehen, die sich zum Teil im Norden der Insel eine Parallelgesellschaft geschaffen haben, die wiederum der Esoterik, Yoga, Meditation und dem Sich-in-Ekstase-tanzen frönt. Für derlei Hedonismus bleibt neben unserem Online-Deutschunterricht aber leider wenig Zeit. Wir gehen mehr oder weniger fleißig zum Muay Thai (Henriette mehr, ich weniger), erkunden mit unseren Villa-Mitbewohnern Kai, Justine, Jules und Manu entweder die nächste Strandbar oder den besten Food-Market und helfen Kleaw, die in der Zwischenzeit ebenfalls auf der Insel angekommen ist und in Zusammenarbeit mit einem Amerikaner einen natural-building-Workshop gegeben hat, sich von diesem nicht über den Tisch ziehen zu lassen.
Unterwegs mit Kleaw.
Will you marry me? – Yes. So einfach kanns gehen.
Für alle, die sich schonmal gefragt haben, wie Cashewnüsse wachsen.
Letzter Abend mit Kai und Justine.
Doch das verhängnisvolle Datum, der 26. September, an dem alle Ausländer ohne Aufenthaltstitel ausreisen müssen, rückt immer näher. Warum die thailändische Regierung die schon mehrfach verlängerte Erlaubnis, ohne offizielles Visum im Land zu bleiben, nicht nochmals verlängert, bleibt unverständlich. Sämtliche Tourismus-Komitees verweisen auf den Niedergang des so wichtigen und ohnehin stark angeschlagenen Wirtschaftszweigs. Auch auf Koh Phangan geben immer mehr Geschäfte auf, auf der benachbarten Schnorchel-Insel Koh Tao kann man durch verwaiste Resorts streunern, in denen das Poolwasser noch frisch ist. In den letzten Tagen vor dem 26. sind die Immigrationsbehörden hoffnungslos mit Last-Minute-Anträgen von Leuten überlastet, die noch versuchen, das so genannte „Educational-Visa“ zu bekommen, mit welchem eine Aufenthaltsgenehmigung von bis zu 6 Monaten möglich ist. So verlockend die Aussicht auch ist, uns mit unseren Online-Jobs die Zeit in angenehmem Klima und mit einem Südfrüchte-Cocktail in der Hand zu finanzieren, entscheiden wir uns gegen diese aufwändige Prozedur und dafür, die Rückreise anzutreten. Wir haben das Gefühl, lange genug auf eine Besserung der Reisesituation gewartet zu haben. Nach 6 Monaten ist es Zeit für eine Veränderung. Unsere eigentlich nächsten Ziele Laos, Vietnam, Kambodscha und später Australien werden auf absehbare Zeit keine Touristen ins Land lassen. Und so heißt es am 23. September für uns: tschüss 5€/Nacht-Unterkunft mit Pool, Schnorcheln im Korallenriff, Planschen im Badewannenozean, tschüss Pad Thai, Drachenfrucht und frische Mango, tschüss schön-mitm-Roller-rumfahrn – kurz: tschüss Thailand. Du warst ein schöner Ort, um Corona zu ertragen und zu vergessen!
Und so sitzen wir nun also schon zum zweiten Mal auf dieser Reise in einem Flieger, obwohl wir es ohne schaffen wollten. Und so sehr ich die Fliegerei auch verdamme, so fasziniert bin ich doch auch wieder jedes Mal von ihr. Während die Außentemperatur -52° beträgt und wir mit 950 Stundenkilometern in 10 km Höhe durch die Nacht ballern, ist Henriette neben mir schon längst in noch anderen Sphären und ich verfolge auf dem Monitor vor mir unsere Route, die über Orte führt, durch die wir auf dem Hinweg reisten. Zunächst geht es über Kalkutta, wo wir den vorletzten Flug nach Thailand erwischten, dann über Jaipur, Amritsar und Islamabad. Über Mashad im Nordosten Irans (der letzten Station vor einem skurril bedrückenden Turkmenistan), Baku und Georgien schlafe ich, aber als wir die Türkei erreichen, bin ich wieder wach und kann beim Blick aus dem Fenster die Schwarzmeerküste sehen, an der wir vor 15 Monaten entlang trampten. Über Sinop meine ich sogar, unseren damaligen Campingspot ausfindig machen zu können und werde fast ein bisschen sentimental. Es geht zurück. Unser spätestens in Indien formuliertes Ziel, einmal die Welt zu umrunden, ist fehlgeschlagen, aber wer weiß: vielleicht raffen wir uns nochmal auf, wenn es einen Impfstoff gibt oder so.
Jetzt also Griechenland, denn seien wir mal ehrlich: das deutsche Schmuddelwetter kann noch warten. Über unsere frustierenden Versuche, das Trampen wieder aufzunehmen, seid ihr ja schon im Bilde, ansonsten lässt es sich aber hier außerordentlich gut aushalten. In Athen lassen wir uns die Klassiker der griechischen Küche mit reichlich Wein reichen und treffen Matheo und Kristina wieder, die vor uns Kleaw’s Projekt in Thailand bevölkerten und uns jetzt mit großem Elan durch die Stadt führen.
Souvlaki-Pita. Wir essen jeden Tag eins.
Auch Georgia, eine Bekannte von einem Freund, zeigt uns mit Feuereifer ihre Heimatstadt, die mit vielen Aussichtspunkten glänzt.
Mittag mit Christina, ihrer Mutter und Matheo.
Nach anderthalb Wochen brechen wir aber wieder auf. Auf Dauer wird uns das hier zu teuer. Mit dem ökologischen Bauernhof von Giorgus und Katharina auf Evia haben wir wahrscheinlich das typische workaway-Projekt gefunden. 3 Autostunden von Athen entfernt besteht unser Alltag fortan damit, für das kulinarische Angebot der ansässigen Ziegen, Schweine und Hühner verantwortlich zu sein und ihnen dafür etwas Milch und Eier abzunehmen. (Die Schweine lassen bei diesem Handel auch mal ihr Leben, aber damit haben wir glücklicherweise nichts zu tun.) Auch Gemüse geerntet werden muss häufig und reichlich, denn neben dem Verkauf in einem Kiosk an der angrenzenden Straße bietet Giorgus auch Gemüsekisten in der nächst größenen Stadt Chalkida an. Ich glaube, er ist wirklich ein sehr guter Farmer, möchte man sich doch jede Erdfrucht am liebsten selber in den Mund schieben, so lecker sehen seine Tomaten, Gurken, Paprika, Bohnen, Zuccini, Melonen und und und aus.
Unser erster selbst gemachter Ziegenkäse.
In der Mittagspause laufen wir die 15 Minuten zur nächsten Taverne, die zwar geschlossen hat, aber kostenloses Wifi bietet, auf dass wir uns mit der Welt verbinden und ihr die deutsche Sprache näher bringen können. Und nachts leuchten die Sterne so schön wie noch nie.
Möwen umkreisen das Gefährt, in dem wir Platz genommen haben. Während eine frische Brise schmeichelhaft an den eigenen Nackenhaaren herumspielt, trifft dunkles Himmelblau auf helles türkis und breitet sich glänzend im Sonnenschein vor unseren Augen als märchenhaftes Wellenschauspiel bis zum Horizont aus. Wir haben Fahrtwind aufgenommen und seit langer Zeit auch mal wieder etwas zu berichten. Ein paar kleine neue Abenteuer stehen bevor und uns trennt nur noch ein Mausklick vor einer Rückkehr nach Griechenland und somit nach Europa. –
Den Juli über werkeln wir weiter heiter auf Kleaw’s kreativer Baustelle. Mit Brian und Dayna, zwei liebenswerten Neuankömmlingen im Projekt, gibt es ein wenig mehr Abwechslung im Alltag und neben vielen heiteren, gemeinsamen Abenden lernen wir auch viel lustiges „slangelish“ von den gebürtigen Iren. Doch trotz der neuen GesprächspartnerInnen scharren unsere Füße im Sand. Die Sehnsucht nach Veränderung und einem Tapetenwechsel breitet sich in unseren Köpfen und unseren Gedanken zunehmend aus.
Mit Brian und Dayna in einer heißen Quelle.
Unser gut durchlüfteter Schlafplatz im neuen Haus.
Spezialität des Nordens: Khao Soi, frittierte Eiernudeln auf Kokosmilchcurry.
Ab Mitte Juli wird von der thailändischen Regierung kund getan, dass ein Aufenthalt nach Ende September in Thailand nur mit bestimmten Visa möglich sei, die für uns nicht in Frage kommen. Wir hören zwar von der Möglichkeit, einen Ein-Jahresvertrags in einem Callcenter in Chiang Mai und damit ein Business Visa zu bekommen, aber die Option scheint nicht sonderlich attraktiv in unseren Augen. Brian und Dayna hingegen, deren ursprüngliche Idee es war, in Vietnam Englisch zu unterrichten, entschließen sich nun dafür, ihre Lehrertätigkeit in Thailand zu beginnen, erhalten ein Angebot mit guter Bezahlung in der Nähe von Bangkok (thailändische Lehrerinnen verdienen meistens wesentlich weniger als ausländische Lehrkräfte) und verlassen noch zwei Wochen vor uns Kleaws Nest. Aber auch wir werden durch einen glücklichen Zufall auf eine Tätigkeit zum Geldverdienen im world wide web aufmerksam. Durch weitere Freiwillige im Projekt, die nur kurz bei Kleaw helfen, erfahren wir von der Online Plattform Italki. Wer generell eine Sprache lernen möchte und im Besonderen einen GesprächspartnerIn sucht, um sich in Sprachpraxis zu üben, kann auf Italki Menschen wie Nikolas oder mich für gemeinsame Trainingsstunden finden und buchen. Nach relativ viel Aufwand für unser obligatorisches Profilvideo und anderen Details für unsere Online-Präsenz sprechen wir nun mehrmals die Woche mit Menschen auf der ganzen Welt, die entweder Deutsch lernen oder ihre bereits vorhandenen Deutschkenntnisse verbessern wollen. Dabei sind neben dem unterschiedlichen Sprachniveau auch die Themen, über die man sich so unterhält, sehr divers, interessant und oft unterhaltsam. Neben einer Anfrage an Nikolas von einem norwegischen Gamer, der durch das gemeinsame Lesen von Harry Potter die Hoffnung hegt, seine deutschen Spielfreunde beim Zocken besser zu verstehen, lernte ich von einem usbekischen Urologen – zur Zeit in Köln mit seiner Doktorarbeit beschäftigt – um die Risiken der Prostata im Alter und lese mit einem Iraner „Das Kapital“ von Marx. Und gerade durch die von Corona geschlossenen Grenzen öffnet sich durch unsere neue Arbeit zumindest symbolisch eines kleines Tor zur restlichen Welt. Gleichzeitig wird uns in den Stunden immer wieder bewusst, wie schwierig unsere Muttersprache eigentlich ist.
In den letzten zwei Wochen in Pai verdienen wir also seit langer Zeit mal wieder ein paar Moneten, versuchen uns in der Freizeit im Rollen auf dem Skateboard und spielen mit ein paar witzigen Männers der Kleinstadt Fußball. Für ein paar Tage erkunden wir während unserer Zeit in Pai auch noch die Provinz Mae Hong Son. Die für ihre Strecke bekannten 800 Kurven von Pai in die gleichnamige Hauptstadt befahren wir angespannt, so häufig geht es hoch und runter. Neben sprießenden Reisfeldern, die die Berg- und Talfahrt rechts und links der Wege säumen, machen wir neben Abstechern zu manchen Aussichtspunkten auch Halt, um in einigen Höhlen zu verschwinden und diese zu erkunden.
Mae Hong Son
Su Tong Pae Bambusbrücke
Dabei besuchen wir auf dem Rückweg unseres mehrtägigen Ausflugs mit der Lod Cave die für uns persönlich wohl größte und atemberaubendste Höhle. Einer älteren Frau mit Petroliumlampe folgend tauchen wir ein in eine Welt, reich geschmückt mit spektulären Kristallformationen aus früherer Zeit. Unsere Kamera hat es schwer, mit dem wenig vorhandenen Licht gute Fotos als spätere Erinnerungsstütze zu knipsen. Unsere Augen hingegen sind gefesselt von den Gebilden, die an glänzende Wasserfälle oder Kreaturen, aus der eigenen Fantasie entschlüpft, erinnern. Die Decke reicht weit über unsere Köpfe hinaus, majestätisch anzusehende Stalatiken an ihr hinunter hängend und unsere Reise zurück ans Tageslicht findet viel zu schnell ihr frühes Ende.
Da uns der Süden des Landes durch die langanhaltenden Reisebeschränkungen doch noch arg fremd ist, folgen wir dem weit entfernten Meeresrauschen und packen unsere Rucksäcke. Auch unsere durch die hohe Luftfeuchtigkeit der derzeitigen Regensaison in Mitleidenschaft gezogenen Schlafsäcke werden eingerollt und Ende August machen wir uns schließlich auf, um über Chiang Mai und Bangkok auf die Insel Koh Panghan im thailändischen Golf zu reisen. Mit ausgestatteter Massagefunktion in den Sitzen des Langstreckenbusses lassen wir also unsere Zeit im Norden hinter uns und begeben uns auf neue Pfade.
Nun führen wir seit einer Woche ein ziemlich gemütliches und wohltuendes Inselleben. Untergekommen in einem Haus mit Pool und Küche, welches wir uns wohl nur durch die stark gesunkenen Preise leisten können, haben wir es nur 2 Minuten bis zum Strand. Und auch wenn das Wasser manchmal doch ganz schön (pipi)warm ist, glänzt das glasklare Meer mit seiner unendlichen Weite. Allzu viel haben wir noch nicht entdecken können außer einigen Stränden, die es hier wie Sand am Meer gibt. Neben unserem Dasein als digitale Nomaden nehmen wir das in Thailand vielerorts angebotene Muay-Thai-Training in Anspruch und feilen dabei an unserer Technik, manchmal auch mit Santo, der früher selbst in Bangkoker Stadien einige Siege einholte.
Trotz all der schönen Neuigkeiten und unserem neuen Zuhause drängt die Entscheidung über unsere Rückkehr, die uns merklich schwer fällt. Da wir es vor Corona genossen haben, per Anhalter die Welt und ihre Bewohner kennen zu lernen und über Couchsurfing noch ein bisschen tiefer in die Kulturen der Welt einzutauchen, müssen wir uns immer wieder eingestehen, dass diese Art des Reisens für dieses Jahr gewiss nicht mehr so möglich sein wird. Und auch wenn das Dasein hier ein weitaus günstigeres und sonnigeres ist als in Deutschland, so haben wir mehr Sorge, dass uns hier am Ende doch die Decke auf den Kopf fällt und ab Januar immernoch nicht wieder heiter und fröhlich gereist werden kann. Wann genau das Ticket nach Europa mit dem Ziel Griechenland gebucht wird, ist wahrscheinlich nur noch eine Frage von Tagen, so schwer sich unsere Herzen auch damit arrangieren können. Mit Griechenland als erstem europäischen Hafen steigen die Chancen auf noch ein paar letzte Sonnenstrahlen, bevor in Deutschland Schal und Mütze vor den immer kühleren Temperaturen ausgepackt werden müssen. Es heißt also bald erst einmal Abschied nehmen von weiteren Abenteuern gen Osten reisend. Das große Vorhaben für den Moment ist nun also, soviel Sonne und Schwimmgänge wie nur möglich abzugreifen und mit den Füßen in Sand zu lümmeln.