„Welcome in Azerbaijan!“, ruft uns ein junger Mann aus seinem Shop zu. Wir zucken zusammen, bedanken uns kurz und schauen uns an. Sind wir etwa in eine Und-täglich-grüßt-das-Murmeltier-Schleife geraten? Eigentlich wähnten wir uns in Täbriz, Iran, unserer ersten Station nach einer nervenaufreibenden Grenzüberquerung. Das letzte, was wir jetzt gebrauchen können, ist es, diese Prozedur nochmal über uns ergehen zu lassen.
Schon bald können wir erleichtert aufatmen, denn neben dieser etwas verwirrenden ersten Begrüßung stellen wir schnell fest: wir sind richtig. Das Straßenbild hat sich deutlich verändert und auch die Schriftzeichen können wir nicht mehr entziffern. „Welcome in Iran/Tabriz/our city!“ schallt es nun auch aus anderen Winkeln der Stadt in unsere Richtung. Die IranerInnen sollen die nettesten Erdbewohner überhaupt sein, haben wir zuvor in mehreren Reiseblogs gelesen. Und es scheint wirklich so. Wir fühlen uns sofort willkommen, ohne das Gefühl zu haben, dass sich uns zu aufdringlich genähert wird. Höfliche Distanz wird gewahrt, doch die vielen neugierigen Blicke bemerken wir natürlich und fühlen uns ein wenig an Südafrika erinnert.
Nach knapp einer Stunde haben wir schon 3 Täbrizer kennen gelernt und auch unser Schreckensmoment vom Morgen klärt sich auf. Wir sind in der Region Ost-Aserbaidschan gelandet. Über 15 Millionen AserbaidschanerInnen leben in Iran und damit knapp 20% der Gesamtbevölkerung, die meisten hier. Fast alle TäbrizerInnen sprechen auch Azeri, oder wie sie sagen, Türkisch, da sich beide Sprachen sehr ähneln. Wir bekommen Tipps rund um die Stadt und obendrein noch Telefonnummern, die wir ohne zu zögern wählen sollen, wenn wir Hilfe benötigen.
Wir werden hier eine gute Zeit haben, denken wir uns und schlendern weiter. –
2 Wochen sind wir letzten Endes in Baku und können es am Ende kaum noch erwarten, endlich weiterzufahren. Das Visum für den Iran zieht sich in die Länge. Erst stellt sich heraus, dass das von der iranischen Regierung angepriesene E-Visum-System nicht funktioniert, dann drängen sich eine Handvoll Feiertage zwischen unsere Pläne.
Aber endlich ist es soweit und wir können wieder an die Straße. Weil es tagsüber so heiß ist, beginnen wir erst am späten Nachmittag zu trampen. Trotzdem kommen wir gut voran und übernachten noch ein letztes Mal in Aserbaidschan, kurz vor der iranischen Grenze und nahe der Kleinstadt Bilesuvar. Von einem hilfsbereiten Melonenverkäufer lassen wir uns bei einem kleinen Rundgang seine Felder erklären. Auch er baut die für die Region bekannte Baumwolle an und verzückt halten wir das erntereife flauschige Produkt in unseren Händen.
Am nächsten Tag kommen wir etwas übermüdet an der Grenze an und freuen uns schon diebisch auf das, was dahinter kommen mag. Kurz erstarren wir, als der Beamte bei der ersten Passkontrolle mit dem Kopf schüttelt, um dann doch nur zu sagen: „no problem“. Doch so einfach ist es dann leider doch nicht. Uns wird die Ausreise aus Aserbaidschan verwehrt, weil wir uns von der Migrationsbehörde nicht registrieren ließen. Eine für uns eindeutige, doch anscheinend falsch interpretierte Formulierung auf dem Visum hatte uns in der Gewissheit gelassen, dies wäre nicht nötig. Jetzt sollen wir ins 150 km entfernte Lenkeran, um die Papiere in Ordnung zu bringen. Stinksauer und hundemüde machen wir auf den Weg. In der Stimmung wollen nicht trampen und nehmen den Bus.
In der Behörde werden wir aufgeklärt: entweder wir bezahlen eine Strafe von 150 Euro pro Nase oder wir werden des Landes verwiesen, bis wir die Strafgebühr entrichten. Dankend entscheiden wir uns für die zweite Option, doch bis wir die dies bestätigenden Zettel in den Händen halten, ist es schon wieder zu spät, um über die Grenze zu gehen, die zudem noch eine Stunde entfernt ist. Außerdem brauchen wir dringend eine Mütze Schlaf. Die günstigste Option in Lenkeran ist ein bezahlbares 4-Sterne-Hotel und wir lassen es uns nach dem Stress so richtig gut gehen, bevor wir am nächsten Tag frisch geduscht den zweiten Grenzpunkt, Astara, anpeilen. Doch auch hier will man uns nicht durchlassen. Beim Ausstellen der Papiere hätten die Beamten vergessen, uns aus dem System zu löschen. Wir sollen nochmal hin, aber das ginge erst in 2 Tagen, jetzt sei schließlich Wochenende.
Wir haben mittlerweile wirklich genug von diesem Land und lassen uns nicht abwimmeln. 5 Stunden und einige Telefonate später dürfen wir dann doch noch gehen und tun dies mit großer Bereitwilligkeit.
Die Einreise in den Iran ist problemlos und dann sind wir da. Endlich! Alles ist aufregend und neu. Henriette muss Kopftuch und lange weite Kleidung tragen, im Bus sitzen Männer und Frauen getrennt und überhaupt haben wir das Gefühl, es gibt tausend geschriebene und ungeschriebene Regeln in diesem islamischen Land, in dem als Strafe auf Alkoholgenuss Peitschenhiebe und auf Ehebruch Steinigung stehen. Wir lassen uns beim ersten Geldwechsel gnadenlos übers Ohr hauen, weil wir nicht wissen, dass der Dollar eigentlich das dreifache vom offiziellen Kurs wert ist. Bei all unserer umfangreichen Recherche – auf die Info sind nicht gestoßen.
Nach Ardabil schaffen wir es noch per Anhalter, aber es ist schon spät und wir sind noch etwas überfordert. Wir teilen uns ein Taxi mit 2 anderen Reisenden und fahren die letzten 3 Stunden nach Täbriz.
Wir bleiben nur anderthalb Tage, doch die lassen uns jetzt schon in süßen Erinnerungen schwelgen. Wir sehen uns die Blaue Moschee, den größten überdachten Basar in Iran und monströse Perserteppiche an. Couchsurfer-Host Parisa kann uns zwar leider nicht bei sich aufnehmen, nimmt sich aber zwischen zwei Schichten dennoch die Zeit, uns in die kulinarischen Genüsse der Stadt einzuführen. In der Dämmerung treffen wir Mr. Ali und haben auf den nächtlichen Straßen einen Heidenspaß im 1977-Mercedes.
5 Stunden dauert die Fahrt nach Qazvin, unserer nächsten Station. Wir werden von Eshan mitgenommen und fahren vorbei an bunten Bergen, kleinen grünen Oasen und Schaf- und Kamelherden. Mahal, unser Host hier, muss die nächsten 2 Tage für seine Uni-Prüfungen lernen, aber wir werden wieder mal von der Gastfreundlichkeit der Iraner überrascht. Mara, ein weiterer Couchsurfing-Kontakt, lädt uns ein, mit ihr und ihrer Cousine die Gegend zu erkunden. Wir fahren nach Soltaniye und Zandschan und lassen uns abends Karottensaft mit Eis und Qazvin-typisches Baklava mit Safran schmecken, das ein wenig an deutsches Marzipan erinnert.
„It’s not a big deal“, ist Mahals Lieblingssatz. Alles easy peasy also? Wir haben das Gefühl, das ist der Eindruck, den uns die meisten Iraner vermitteln wollen. Jeder versucht, es uns bequem und schön zu machen in diesem widersprüchlichen Land. Aber Mahal sagt auch: „You are living my dream“ und unsere deutschen Privilegien werden uns wieder mal bewusst. Wer als Iraner reisen will, hat mit einem schwachen Pass, einer schwachen Währung und einer Menge Vorurteilen zu kämpfen.
Umgekehrt wird sich über jeden, der Lust hat, den Iran kennen zu lernen, aufrichtig gefreut.
In diesem Sinne: A Salam Alaikum!