Im Land der gegorenen Traube

Unser allmorgendlicher Blick schweift aus unserem Zelt von einem Balkon hinaus in die charmante Weite georgischer Natur. Geschmückt mit grünen Wiesen und Baumtrauben bieten die Gebirgsketten mit dem schneebedeckten Berg „Kazbegi“ in der Ferne unserer Aussicht schließlich Einhalt. Nur das imposante Wolkenschauspiel kann die Höhe der Bergspitzen noch übertreffen, bis sich die Einzelteile ihrer langsam und gemütlich auflösen und davonziehen. Wo und wie sind wir denn nur hier gelandet?

Unser letztes Lebenszeichen gaben wir aus Batumi, wo wir zwischen den Bauten der Saakaschwili-Ära umher schlendern,  unsere ersten georgischen Wörter lernen und keines der vielen Angebote zum water parachuting annehmen. Dafür beobachten wir am Strand diejenigen, die es versuchen und essen unsere ersten Khinkali, eine der Spezialitäten des Landes (mit Fleisch oder anderen Leckereien gefüllte Teigtaschen), die wir in ihrer Größe komplett unterschätzen und, wie wir später erfahren, auch in falscher Manier verzehren.

Batumi Momente.

Nach einer entzückenden Reise in den Botanischen Garten, etwas außerhalb von Batumi, wollen wir es in zwei Tagen nach Tiflis schaffen. 375km bzw. 5,5 Stunden liegen vor uns.
Kaum zu glauben, aber nach kürzester Zeit sitzen wir mit zwei anderen Trampern im Auto von Tourguide Vakho. Wir lauschen seinen Geschichten über das Land, während wir unsere ersten Eindrücke der georgischen Natur wie ein trockener Stadtschwamm aufsaugen und bereits jetzt schon von Amors Pfeil getroffen sind. Ohne Ausnahme zieren unsere Fensterscheiben eine reiche Farbpalette unterschiedlicher Grün- und Brauntöne auf kleinen Hügeln und großen Bergen und wir genießen Stunde um Stunde das Schauspiel, welches an uns vorbeizieht.
Ca. eine halbe Stunde vor Tiflis entscheiden wir uns spontan bei der Toilettenpause, an der wohl schicksten Raststätte Georgiens doch noch eine Nacht in unserem Zelt zu verbringen. Zu schön ist der Ausblick in die Landschaft und wir sagen Adieu zu unseren Mitreisenden.

Henriette guter Dinge vor Tiflis.

Der letzte Ride am nächsten Morgen nach Tiflis wird begleitet von einem mit Geburtstagsballons gefüllten Kofferraum und Irakli Charkviani mit seiner Ballade „Vici Rom“, der aus den Lautsprechern ertönt, enthusiastisch und voller Hingabe performt von unseren beiden jungen AutofahrerInnen.

Angekommen in der Hauptstadt Georgiens begrüßt uns Couchsurferin Masha in ihrer Wohnung. Sie teilt mit uns an den zwei Tagen, an denen wir bei ihr sein dürfen, ihre Couch, ein paar Bier und lässt uns durch eine spendierte Wäsche wieder gut riechen.
Wir ziehen durch die Stadt ohne festes Ziel, lassen unsere Blicke schweifen und verschwinden immer wieder in kleinen Gassen, begleitet von musikalischen Klängen der groovigen Straßenbands (Kurz denken wir, Joe Cocker höchstpersönlich wäre anwesend.)
Die Empfehlung einer Freundin aus Deutschland führt uns zum wohl edelsten Weiß- und Rotwein unseres jungen Lebens. Wir sind begeistert, wie gut Wein eigentlich schmecken kann und trinken langsam und genüsslich.
Ein wenig abseits von all dem Trubel, in den ruhigeren Straßen und den Hinterhöfen der alten Gemäuer mit ihren angekratzten Fassaden, entdeckt man die kleinen verwinkelten Wendeltreppen, Verandas und langen Wäscheleinen, die geheimnisvoll im Verborgenen schlummern und viel zum Charme der kleinen Stadt beitragen.
Doch neben all dem Zauber, die diese Stadt versprüht, haben wir das Gefühl, sie atmet auch schwer unter den vielen Gästen und neuen Bauten, die sich zwischen die Häuser vergangener Zeiten drängen.
Nach knapp 3 Tagen kehren wir der Stadt zunächst den Rücken…

Tiflis Momente.

Seit nun knapp drei Wochen haben wir uns zu sesshaften Reisenden gewandelt und sind zu Gast bei Linda, Giorgi und klein Noah, einige Minuten vom Bazaleti Lake und knapp eine Stunde von Tiflis entfernt. Wir haben die 3 über die Plattform workaway gefunden und finden Obdach und Verpflegung gegen Mitarbeit auf dem Gelände.
Diese kleine Familie, die durch Linda auch deutsche Wurzeln hat, schenkt uns mit diesem feinen kleinen Ort die Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen. Gleichzeitig teilt Linda mit uns ihr Wissen rund um Permakultur und den Gemüseanbau, welches durch Giorgis Großmutter, die den Garten vor Jahrzehnten ins Leben rief, noch erweitert wird.
Für ein wenig handwerkliche Hilfe und Unterstützung bei Arbeiten im Garten lockt hier neben unserem Premium-Schlafplatz mit Matratze unterm Zelt auch der im Dorf hergestellte Joghurt zum Frühstück. Mit noch etwas Honig auf dem Brot kann man bis zum letzten Bissen genüsslich im Paradies schwelgen.

Im Kirschenmeer.

Doch gibt es neben diesen Köstlichkeiten auch andere Dinge, die man hier mit aller Freude und sehr regelmäßig zu sich nimmt… Selbstgebrannter!
Wie der Zufall will, ergeben sich gefühlt jeden Tag Möglichkeiten des heiteren Umtrunks mit selbst verarbeitetem Wein und cha-cha (Traubenschnaps), deren Genuss festen Regeln folgt. Nach jedem neu gefüllten Glas verkündet der Thamadar (Trinkführer) einen neuen Anlass, um anzustoßen. Es wird auf Gott, Georgien, die (georgischen) Frauen, die Verstorbenen der Familie, aber auch auf die kleinen Dinge, die wir im Leben manchmal vermissen, getrunken.
Dabei bleibt ein Abend von vielen in besonderer Erinnerung. Es ist der Geburtstag von Paata, Giorgis Stiefvater, und ein Dutzend älterer Männer säumen die Runde. Giorgis Mutter Thea bereitet ein reiches Mahl und neben viel georgischem Wein wird schließlich auch das alte verstimmte Klavier in die Festlichkeiten integriert. Einer der erheiterten Herren stimmt ein tragende Lied an und füllt zusammen mit Paatas tiefer Männerstimme den kompletten Raum mit Melancholie.

Nach getaner Arbeit gibt’s gegen 2 Uhr den ersten Drink. Piet ist schon ausgeknockt.

Beim nachmittäglichen Spaziergang wird man hier des Öfteren an frühere Zeiten erinnert, zum Beispiel wenn einem der treibende Kuhhirte auf der Straße begegnet, die Sau des Nachbarn den Wegesrand abgrast, man Dorfbewohner auf der Bank beim Plaudern beobachten kann, der Strom aus der Steckdose ein Päuschen macht und das Wasser aus der nahegelegenen Quelle geholt werden muss. 

Auch erleben wir in unseren drei Wochen hier eine Affenhitze, Regengüsse und Windboen und üben uns zusammen mit den beiden weiteren workawayern Jan und Franni aus München neben Pflasterarbeiten und der Kartoffelkäferjagd auch an gemeinsamen (Acro-) Yoga- und Ukulelestunden.

Unser nächster georgischer Reisemeilenstein soll der Westen Georgiens sein, von dem wir allerhand Schönes zu Ohren bekommen haben. Eine Einladung in unseren imaginären Briefkasten erhielten wir bereits von Giorgis Freund Mazo nebst Familie, die wir gerne annehmen wollen.

Trampen wie die Könige

Bevor wir in Istanbul aufbrechen, decken wir uns nochmal ein: ein paar Äpfel, Aufstrich, Brot und eine Packung Nudeln. Wir wollen die nächsten Tage draußen übernachten. Okan bringt uns standesgemäß an den passenden Highway und wir verabschieden uns. Mit seiner Schrulligkeit ist er uns in der letzten Woche sehr an Herz gewachsen.

Wir stehen an der Straße und alles, was wir übers Trampen in der Türkei gelesen hatten, scheint sich zu bewahrheiten: wir warten keine 10 Minuten und schon sitzen wir in einem Auto. Am Ende des Tages landen wir in Akçacoka, wohin uns Osman mitnimmt. Er ist nicht nur pensionierter Campingplatzbesitzer und verschafft uns einen Schlafplatz 4 free, sondern gestaltet zudem noch unser Abendprogramm in der bestmöglichen Weise. Auf einer eher inoffiziell wirkenden Terrasse mit Meerblick werden wir eingeladen zu Fisch, Salat, Honigmelone und Raki. Während in der Kneipe unter uns irgendwann die Fetzen fliegen (glücklicherweise nur verbal), erklärt Osman das Gebaren seines Freundes, der eben noch mit uns am Tisch saß, mit dem problematischen Raki-Genuss und schenkt sich noch einen ein. Es ist herrlich! Nach einigen weiteren denkwürdigen Stunden fallen wir reichlich angezaubert in unser Zelt. Geht das jetzt so weiter?

Glückspilz.

In der Tat. In den folgenden Tagen erfahren wir die für uns schon fast unheimlich anmutende Gastfreundschaft der Türken. Wenn uns jemand in Europa mitnimmt, ist das oft schon ein kleiner Schritt aus der Komfortzone der Leute heraus. Hier hat man das Gefühl, es fängt damit erst an. Die Türken lieben ihren Schwarztee (Çay), ihr Essen, Atatürk und die Schönheit ihres Landes. Dass wir nicht zu mindestens einer Mahlzeit am Tag eingeladen werden, passiert selten.
Google Translate ist unser Freund, als wir mit Nasim und Mishla im geräumigen Bulli durch die Gegend fahren und Kelle-Paça essen, eine leckere aus Kuhkopf und – fuß gekochte Fettsuppe, die mit reichlich Knoblauch und Chili verfeinert wird. Gleiches aßen wir schon in Bulgarien, nur wurden hier Innereien verarbeitet.
In Çatalzeytin dürfen wir im Garten von Apsalan übernachten. Inmitten von Feigen-, Kirsch- und Haselnussbäumen fühlen wir uns wie im Paradies. Abends gibt es selbstgemachte Köfte und allerhand andere Leckereien. Wenigstens dürfen wir ihm als Dank am nächsten Tag seine Pfefferpflänzchen vom Unkraut befreien.
Und Ibrahim zeigt uns voller Stolz seine wunderschön gelegene Heimatstadt Sinop.

In Zonguldak.
Zu Gast bei Apsalan und Yamur
Am Nordkap der Türkei, Sinop.

Wir fragen uns, was in unserer Kultur uns verbietet, ebenso spontan und aufmerksam zu sein. Entweder die Leute hier werfen von uns unbemerkt ihre Pläne über den Haufen, um uns zu bewirten, bei der Schlafplatzsuche zu helfen oder einfach einen Çay zu trinken, oder aber die Tage werden nicht so durchgetaktet und lassen deshalb Raum für Flexibilität. Auch der Islam, der seinen Anhängern eine gewisse Gastfreundschaft vorschreibt, scheint eine Rolle zu spielen. Wir können es uns nicht so richtig erklären, aber es ist wunderbar und wir fühlen uns willkommen einem Land, über das man nicht nur Gutes hört.
Wir treffen ebenso viele Erdogan-Anhänger wie auch Gegner. Aber so richtig über Politik will sich keiner unterhalten und wir beharren auch nicht drauf…

Auch die Landschaft lässt uns regelmäßig fast aus den Latschen kippen. Mal fahren wir auf malerischen Küstenstraßen, mal über 2000 Meter die Berge hinauf für einen Abstecher ins Landesinnere, dann wieder an den allgegenwärtigen Haselnusspflanzungen und Tabakfeldern vorbei in Städte mit knapp 200.000 Einwohnern.

Ein Çay ist immer dabei.

In einer davon, Samsun, brauchen wir dann mal wieder etwas Zeit für uns nach all den Begegnungen der letzten Tage. Wir nehmen uns ein günstiges Zimmer, genießen die Dusche und sind ein bisschen faul. Am nächsten Tag lässt sich Henriette in Giresun zusammen mit der Schwester unseres letzten Chaffeurs den Kaffeesatz lesen.
Am nächsten Tag erweist sich in Maçka unsere Idee, am Fluss zu übernachten aufgrund des unwegsamen Ufergeländes‘ als ein etwas zu riskantes Abenteuer, sodass wir nach kurzer Recherche auf einen Campingplatz mitten in den Bergen ausweichen. Die Wolken umwehen uns und wenn es doch einmal aufklärt, fühlen wir uns wie in der Schweiz. Passend dazu spielen Heinz und Heidi, Wahl-Türken aus Zürich, Volksweisen auf dem Akkordeon. Perfekt also, um Energie zu tanken und so machen wir uns nach 2 Nächten an die letzten 200 km in der Türkei.

Grüne Pracht, das Auge lacht.
Der Himmel ist jetzt aufgeklart,
Zeit, dass auch das Frühstück naht.

In Pazar lockt noch mal der Strand und lädt zum Zelten ein und schwupp sind wir auch schon in Batum, einer touristischen, aber trotzdem niedlichen Stadt, die wir heute erkunden werden.

Die Türkei wird uns in guter Erinnerung bleiben als ein Land, in dem wir herzlich aufgenommen wurden und in dem wir uns manchmal wie die Könige fühlten.

Merhaba Gaumenschmaus!

Langsam und leise erwacht ein neuer Tag. Lichtstrahlen bahnen sich nach und nach den Weg zwischen kleinen und sehr großen Wohnhäusern hindurch & gewinnen immerzu an Höhe, begleitet von Vogelgezwitscher und einem kickerikienden Hahn, inmitten einer Großstadt. Mit dem Blick aus dem Fenster des 5. Stocks in Ümranyihe macht Istanbul in den frühen Morgenstunden einen ganz ruhigen Eindruck und lässt kaum die Vorstellung zu, dass in dieser Stadt 17 Millionen Menschen zu Hause sind. Denn sofern man der Innenstadt nur ein bisschen näher kommt, fühlt man sich wie ein kleiner Fisch in einem wahnsinnig großen Schwarm von sehr sehr vielen Fischen ohne Möglichkeit, dem Klang der Straße zu entgehen.

Bevor wir die Türkei und Istanbul verschnupft und erschöpft am Freitag vor knapp einer Woche erreichen, verbringen wir nach unserem Aufenthalt in Sofia noch ein paar Tage an der Küste in Burgas.
Auf unserem Weg hinaus aus Sofia kommt es noch zu einer kurzen Bekanntschaft mit Vladina, einer Frau in den Mitte 50ern mit eigener Talkshow, bei der wir mit unseren Rucksäcken volle Aufmerksamkeit erregen. Neugierig über unser Unterfangen zu erfahren, erzählt sie selbst begeistert von ihren Reisen per Autostop.  Eine Möglichkeit des Reisens, von der sie noch immer großer Fan ist und so – bis heute – unterschiedliche Länder bereist. Ausgestattet mit von ihr gesponsortem Proviant und ihrem Bekenntnis „inside I’m a hippie“ verabschiedet sie uns und wir nehmen den Bus stadtauswärts.

Nach nur wenigen Minuten mit herausgehaltenem Schild werden wir sogleich von einem Pärchen nach Plovdiw mitgenommen und während der Fahrt darüber hinaus sogar noch mit Schokolade versorgt. In einer der Kulturhauptstädte 2019 angekommen, gönnen wir uns aufgrund fehlender Grünflächen für einen unschlagbaren Preis ein sehr rustikales Hostel, was durch seinen sehr unkonventionellen Charme uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben wird. Bei unserem Eintreffen wird zu allererst lautstark auf Bulgarisch der Preis kommuniziert und beim Kartoffelkochen versuchen wir weiter mit der „Rezeptionistin“ in Gespräch zu kommen. Es wird viel gelacht auch wenn wir einander wohl mit keinem Wort verstehen. Beim Abendspaziergang und während unserer morgendlichen Erkundungsschritte durch die kleine Stadt sind wir immer wieder umgeben von Klängen, wie denen von Bach auf dem Klavier, gespielt in Jazzmanier, die sich aus den geöffneten Fenstern auf die Gassen der kleinen Straßen ausbreiten.

Kyrillisch für Fastfood-Liebhaber. Plovdiv.
Eine tolle Stadt!

Doch es soll weitergehen. Nach einer Übernachtung in Plovdiw zieht es uns an die Küste Bulgariens und ans Schwarze Meer. Doch dieser Tag ist wirklich nicht ohne! Unsere erste Mitfahrgelegenheit sichert uns zwar zu, auf dem richtigen Weg zu sein, doch wir erkennen leider einige Minuten zu spät, dass die Route für uns eher ungünstig ist. So müssen wir erst einmal zurück laufen, begleitet von quälender Hitze und dem Lärm der vorbeifahrenden Autos, ohne Unterlass. Nach langem Warten und wenig Hoffnung haben wir doch noch 3x großes Glück und schaffen es am Ende noch nach Burgas. Wegen eines leicht angeschlagenen Näschens wird auch in dieser Stadt lieber günstig eingecheckt als sich noch auf die Suche nach einem Zeltplatz zu begeben, auf dem Balkon gekocht und am Abend das Zimmer in einen Wäscheleinensalon umfunktioniert.

Plovdiv – Burgas
Endlich am Meer! Burgas.

Die darauffolgenden Tage verbringen wir am Strand von Arkutino 30km südlich von Burgas und kehren Menschen und der Stadt den Rücken. In wenigen Tagen soll hier die Sommersaison starten, doch bis jetzt nahezu Leere so weit das Auge reicht. Wir finden ein nettes, abgeschiedenes Plätzchen in der Bucht und freuen uns darauf, uns für ein paar Tage die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Aber Schnupfen und Halskratzen machen uns einen Strich durch die Rechnung. Und so verbringen wir unsere Zeit am Meer lediglich damit, zu genesen und unsere Essensvorräte zu verputzen. Immerhin ist das Meeresrauschen unser ständiger Begleiter, wiegt uns in den Schlaf und begrüßt uns am Morgen.

Ankunft am Traumstrand.
Unser Krankenlager in idyllischer Umgebung.
Ein paar Klänge zur Nacht.

Da wir bereits Okan, unserem Couchsurfer in Istanbul zugesagt haben, uns die Nahrung ausgeht und unser Unwohlsein nicht nachlässt, entschließen wir uns, das Strandparadies zu verlassen und mit dem Nachtbus nach Istanbul zu fahren.

Bereits in den frühen Morgenstunden erreichen wir diese große Stadt, unser erstes großes Ziel, ohne EU-Internet und zu allererst ein wenig orientierungslos. Nach kurzer Starthilfe der Einheimischen machen wir uns auf den Weg zu Okan. Beim Anblick der unzähligen Moscheen, der Essensstände und kleinen Lädchen haben wir das Gefühl, dass unsere Reise jetzt erst so richtig beginnt.

So glücklich und dankbar dafür, dass wir schon so früh bei Okan sein dürfen, schnappen wir uns erst einmal eine große Mütze Schlaf im großen Gästebett und machen den Tag über nicht viel anderes.
Am nächsten Tag und schon ein gutes Stück gesünder geht es dann so richtig los! Es ist schwer in Worte zu fassen und zu schade, dass es uns nicht möglich ist, unsere kulinarischen Erlebnisse in Form von Essensproben zu teilen. Wir erleben in den letzten Tagen eine wahnsinnig beeindruckende Gastfreundschaft und Freundlichkeit, die es so schön und einfach macht, sich in einer vermeintlichen Fremde sehr schnell sehr wohlzufühlen. Unser wohliges Gefühl steigert sich durch unsere Reise zu jenen Köstlichkeiten, die wir hier probieren und auf der uns Okan tatkräftig und enthusiastisch begleitet. Fast jeden Tag verbringen wir mit ihm auf den Straßen der Stadt, probieren unwiderstehlich gutes Turkish Delight, Baklava, Kebab, Köfte, Manti, die allgegenwärtigen mit Reis gefüllten Miesmuscheln und müssen beim Abendbrot ohne Zweifel anerkennen, dass Okan das beste Rührei aller Zeiten zubereiten kann!

Heute soll es wieder Richtung Schwarzmeer-Küste und Georgien weitergehen. Wir sind gespannt aufs Trampen in der Türkei und alles, was so kommt!

Ein Klassiker unter den Live-Darbietungen auf den Fähren.

Anmerkung: Beide Teilnehmer unseres kleinen Ratespiels (s. unten) haben unseren Aufenthaltsort Istanbul richtig erraten. Herzlichen Glückwunsch! Über die Preise müssen wir uns noch Gedanken machen. Danke für euer Verständnis.

You don’t have to be beautiful!

Nachdem wir Pécs mit frisch gewaschener Wäsche und letzten, von Lisa und David bereitgestellten, Snacks verlassen, ist uns das Tramperglück erstmal nicht so hold. Bis 5 km vor die ungarisch-kroatische Grenze schaffen wir es noch ganz gut, doch dann ist erstmal Sense. Samstag Nachmittag, knackige Sonne und kein Auto unterwegs ins Nachbarland. Dabei wollten wir es eigentlich heute noch nach Belgrad schaffen! Wir laufen also los, passieren die Grenze und laufen noch 2 km weiter, bis uns endlich ein süßer Opi bis ins nächste Dorf mitnimmt. 3 Autos und die Erkenntnis, dass das heute trotzdem nichts mehr mit Serbien wird später sitzen wir bei Katharina im Kleinwagen, die uns irgendwie ganz klasse findet und sich rührend darum kümmert, dass wir zumindest noch zu einem guten Fleckchen Wiese für die Nacht finden. Sie erinnert sich an ein kleines Kapellchen am Rand eines Parks in ihrer Heimatstadt Vukowar und siehe da – gerade wird der Rasen frisch gemäht und der Priester hat nach kurzer Überzeugungsarbeit Katharinas nichts dagegen, dass wir unser Zelt aufschlagen. Eine hauseigene Quelle sprudelt auch unterm Altarraum, nur die Äußerung Katharinas im Anschluss an ihr Gespräch mit dem Geistlichen lässt uns kurz inne halten. Sie wäre froh, dass das jetzt alles so gut gegangen sei, schließlich hätte sie den orthodoxen serbischen Priester auf kroatisch angesprochen. Wir haben keine Zeit nachzuhaken und es bleibt das Gefühl, wir müssten noch einiges nachholen, was die jüngste Geschichte Südosteuropas betrifft.

Mit Lisa und David nach dem Genuss eines gediegenen Aperitifs.
Wenigstens ist für Foto-Experimente Zeit.
Nur die Grenze und wir. Kroatien!
Unser Plätzchen in Vukowar.

Am nächsten Tag kommen wir fix an die serbische Grenze und wollen nur noch schnell eins der gefühlt hundert Autos mit Belgrader Kennzeichen anhalten. Doch anscheinend sehen wir ungewaschener aus, als wir dachten. Alle gucken uns nur schräg an und auch die Trucker haben kein Mitleid. Nach 3 Stunden haben wir genug und laufen nach Sid. Am Bahnhof verstehen wir nur Bahnhof und serbisches Geld haben wir auch noch keins. Der Zug soll jeden Moment abfahren, da taucht aus dem Nichts ein Mann auf, der uns ein paar Euro eintauscht. Es dauert dann doch nochmal eine halbe Stunde, bis der Zug bereit ist, aber wir freuen uns, einfach entspannt die nächsten 90 Minuten zu rollen.

In Belgrad schlafen wir bei Andrej, einem russischen Tramping-Experten und erkunden den folgenden Tag lang die Stadt. Aber wir wollen weiter, packen unsere Sachen und geben am nächsten Tag dem Trampen in Serbien noch eine Chance. Bezeichnenderweise ist es aber Oliver, ein mazedonischer LKW-Fahrer, der uns in seine Kabine einlädt. Die nächsten 4 Stunden werden zu den unterhaltsamsten der bisherigen Reise. Oliver erzählt uns von seiner Boxer-Karriere in jungen Jahren („I am much popularity in this region!“), weiht uns ein in das Morse-Hup-Alphabet, lädt zu Kaffee und Schokoriegeln ein und unterbricht jeden Moment eines kurzen Innehaltens beider Parteien mit einem laut herausgebrüllten „You don’t have to be beautiful!“, was wohl an Prince erinnern soll. Kurz vor Nis verabschieden wir uns schweren Herzens und schlafen hinter einer Raststätte auf einer herrlichen Kräuterwiese.

Belgrad 1
2
… und 3. So könnt man auch mal seine alten Tage verbringen…
Mit dem Boxer im Benz.
Frühstück an der Autobahn.

Am nächsten Tag dann der Jackpot. Wir finden ein Auto, das uns direkt nach Sofia fährt und dessen Fahrer Jordan uns auf eine sehr interessante Pizza Margeritha einlädt. Wieder finden wir einen tollen Host über Couchsurfing. Angel nimmt uns mit zu seinem Kumpel Tordo, der in den Bergen seinen 60. Geburtstag mit einer fünftägigen Feier begeht. Wir lernen eine sehr herzliche Gastfreundschaft sowie Spezialitäten des Landes, aber auch den sehr tief sitzenden Rassismus und Antisemitismus der meisten Leute kennen.

Und weiter wollen wir wandeln auf der alten Handelsstraße des oströmischen Reiches Richtung Plovdiv.

Sofia.
Eine alte Therme. Heute werden die heißen Quellen leider nicht mehr für öffentliche Bäder genutzt.
Im Park vor dem Nationaltheater ist es immer interessant.
Acro-Yoga-Nachhilfe mit Angel.
Die Socken von Tordos Kumpel, der sein Haus am See für die Feierlichkeiten zur Verfügung stellte.