Während in Deutschland dieser Tage Ostern gefeiert wird, steht hier in Thailand das Neujahrsfest Songkran an. Normalerweise, so lesen wir, ist es ein Fest der Ekstase. Das traditionelle Waschen der Buddha-Statuen in den Tempeln und der dort lebenden Mönche ist längst zu einem großen Wasserspaß geworden. Umzüge fahren nicht nur die Statuen durch die Stadt, damit sich noch mehr Menschen am rituellen Reinigen ihrer beteiligen können, sondern auch Feiernde, die die Umstehenden mit Wasserpistolen-Salven oder Eimerladungen gekühlter Nässe bedenken. Und natürlich sind alle, wie es sich für ein gutes Volksfest auch hierzulande gehört, ordentlich besoffen.
Dieses Jahr wurde die Bevölkerung nicht nur gebeten, alle Feierlichkeiten zu unterlassen, auch der Verkauf von Alkohol wurde in den größeren Städten verboten. Es wird also ruhig bleiben, so wie die letzten zwei Wochen und voraussichtlich die nächsten zwei Wochen auch. Wir richten uns dann mal ein…
Nachdem wir aus dem Flieger steigen, müssen wir uns erst einmal ein paar Tage akklimatisieren. Wir fühlen uns wie abgeworfen über einem neuen Land, dem wir uns diesmal nicht so behutsam wie sonst annähern konnten. Mit einem Mal sind wir mittendrin in Thailand, in einem schwül heißen Bangkok. Unsere Zeit hier ist nicht absehbar. Aber wir stellen uns darauf ein, hier zu „stranden“. Die Situation hier im Warmen auszusitzen ist für uns reizvoller als ins kalte Deutschland zurückzukehren. Soll denn die schöne Reiserei jetzt schon enden?
Wir erwischen einen der letzten regulären Flüge, die von Indien aus in das Königreich gehen. 2 Tage nach unserer Ankunft wird die Einreise aus dem Ausland wesentlich erschwert, seit dem 25. März kann man nicht mehr ein- oder ausreisen. Vom 4. bis zum 9. April gehen 6 Rückholflüge nach Deutschland. Wir sind nicht an Bord.
Stattdessen versuchen wir zu entdecken, was noch zu entdecken ist. Wir fahren in leeren Bussen durch die Hauptstadt und sehen, wie von Tag zu Tag alles noch ruhiger wird. Auf dem Amulett-Markt finden wir zwar noch vereinzelte Verkäufer, aber keine anderen Besucher und die bis jetzt noch offenen Tempel haben wir für uns allein. Selbst die Tickethäuschen am Eingang sind verlassen. Für die vom abreißenden Touristenstrom besonders betroffenen Tuktuk-Fahrer gibt es städtische Unterstützung, die sich in Promofahrten für die paar verbleibenden Reisenden auswirkt. Für umgerechnet 60 Cent fährt uns der Steuermann einer der hierzulande aufreizend getunten Rikschas für 3 Stunden durch die Stadt und zeigt uns einige der noch offenen Sehenswürdigkeiten. Wer hätte es gedacht? Corona macht ein Friedensangebot und hilft uns, Geld zu sparen.
Bald müssen auch die Restaurants schließen, aber wir haben es eh auf die kleinen Garküchen an den Straßenrändern abgesehen, die immer noch verkaufen dürfen. Papaya-Salate, das berühmte Pad Thai (ein Reisnudelgericht mit süßem Rettich, Mungbohnensprossen und gehackten Nüssen) und der erfrischende Snack aus Klebreis, Mangostücken und Kondensmilch haben in uns schnell neue Anhänger gefunden.
Der einzige Ort, an dem alles wie gehabt seinen Gang zu gehen scheint, ist der große Lumpini-Park, wo immer noch Horden von Joggern ihre Kreise ziehen, Muskelmänner ihre Körper in den Freiluft-Gyms stählen und auch wir uns so manchen Nachmittag mit Lesen, Yoga und dem Bewundern der zahlreichen Warane vertreiben.
Auch in Chinatown geht noch ein bisschen was. Vor allem kulinarisch kann man sich hier austoben. Ob getrockneten Tintenfisch, frisch gegrillten Hummer oder Skorpione am Spieß, hier sollte wirklich für jeden was dabei sein. Wir biegen in eine von Plastikplanen und Wellblechen überdachte Seitengasse ein und das essbare Schauspiel geht weiter. Frischer, in Bananenblätter eingeschlagener Tofu, fermentierte Antipasti, Pilze lustigen Aussehens und immer mal wieder eine verführerisch duftende Fischsuppe.
Als wir schon längst wieder auf dem Weg ins Hostel sind, spricht uns ein Einheimischer auf der Straße an. In dringlichem Tonfall rät er uns, möglichst schnell die Stadt zu verlassen, wenn wir noch weiterwollen. Hier würde bald alles komplett dicht machen, auch Busse und Bahnen würden dann nicht mehr fahren. Uns wird mulmig zumute und wir müssen uns zurückhalten, um nicht auch von einer latenten Panik erfasst zu werden.
Als wir nach 5 Tagen aus Bangkok in Richtung Norden aufbrechen, haben wir trotzdem sogar noch die leise Hoffnung, bald darauf nach Laos weiterreisen zu können. Eines der Reisebüros, bei denen wir im Rahmen unserer „Promotour“ einen Abstecher machten, erklärt uns, mit einem im laotischen Generalkonsulat in Chiang Mai ausgestellten Visum könne man die Grenze noch überqueren. Wir entscheiden uns, es ruhig angehen zu lassen. Chiang Mai war eh in unserem Reiseplan.
Hier angekommen, wird dann schnell klar: erstmal wird es kein Weiterkommen gehen. Neben Laos schließt auch Vietnam, in dem wir anschließend einen Monat verbringen wollten, seine Grenzen. Glücklicherweise finden wir auf Anhieb eine Absteige, in der es sich auch länger aushalten lässt.
Die Langeweile kommt schleichend und lässt sich in der ersten Woche noch ganz gut bekämpfen. Mit einer im selben Hostel untergekommenen Thailänderin machen wir eine kleine Wanderung zu einem im Wald liegenden Tempel. Es ist Trockenzeit und der in anderen Jahreszeiten den Berg hinunter rauschende Fluss ist nur zu erahnen. Aber wir bekommen leicht einen Eindruck, wie es hier von November bis Februar aussehen muss, wenn der Monsun sich verzogen und eine frisch grüne Landschaft hinterlassen hat.
Im Tempel sind wir außer einigen Besen schwingenden Arbeitern alleine. Dafür unterhalten uns die zahlreichen und überall versteckten Figuren von (Baby-) Mönchen, Drachen, Pfauen, Elefanten oder gar Buddha höchstpersönlich. Bei der Freude, die wir beim Betrachten der kunstvollen und oft lustig oder selig lächelnd drein blickenden Skulpturen empfinden, muss ich an das den christlichen Glauben symbolisierende Kreuz und einen brutal daran genagelten Jesus denken.
In den kommenden Tagen versuchen wir auf dem Roller, das Umland weiter zu erkunden, werden aber immer wieder an Straßensperren und Schlagbäumen abgewiesen. Immerhin erfahren wir keine Anfeindungen von der Bevölkerung wie wir es von anderen Reisenden aus Indien, Nepal oder Brasilien hören. Die Thais, denen wir begegnen, sind offensichtlich froh, dass es noch ein paar Touris gibt, die geblieben sind. Für viele hier ist der Tourismus die wichtigste Einnahmequelle. Allein in und um das eher beschauliche Chiang Mai mit seinen rund 136.000 Einwohnern gibt es fast 3000 gelistete Unterkünfte, knapp 100 Elefantenparks, dazu unzählige Restaurants, Cafés, Motorrad-Vermietungen, Massage-Salons und Wäschereien. Auch Harry, unser niederländischer Herbergsvater, sagt, wenn die Urlauber nicht spätestens Ende Mai zurückkommen, müsse er schließen.
Auch wir hoffen natürlich, dass sich die Situation bessert. Die offiziellen Zahlen sprechen dafür. In Thailand ist die Zahl der mit Covid-19 Infizierten mit unter 3000 Menschen noch immer relativ gering. Auch die Nachbarländer könnten mit ihrer frühzeitigen Abschottungspolitik Erfolg gehabt haben. Bis das klar ist, werden wir noch wohl noch viele Tage spät aufstehen, Serien bis zum Umfallen gucken, das Guesthouse-Menü rauf und runter essen und von einer Reise, die irgendwann weitergeht, träumen können.
Wir gönnen uns jetzt erstmal ein Bierchen und denken daran, wie gut es uns trotz allem geht. Der geringen Auslastung unserer Unterkunft sei Dank ist der Kühlschrank hier noch voll.
Frohe Ostern an euch alle!